Seit sie zehn Jahre alt ist, steckt Sevda Jaschar süssen Duft in knisternde Plastiktüten. «Ich bin die Nummer eins.» Kaum jemand in Bulgarien erntet schneller auf dem Rosenfeld als sie. 102 Kilogramm Rosenblätter hat sie gestern geschafft. «Die Dornen stören mich nicht.»
Wenn früh im Sommer die Nächte noch kühl sind, die Tage aber schon heiss, dann sieht die Ebene am Fuss des Balkangebirges aus wie eine Pistazientorte mit rosa Zuckerstreuseln, dann blüht im üppigen Grün des Rosentals die Damaszener Rose, seit hunderten von Jahren.
Die Rosen machen uns hier einzigartig, alles andere können alle in Europa.
Dann schaut Bauer Hristo Nikolov auf seine Rosenfelder. «Die Rosen machen uns hier einzigartig, alles andere können alle in Europa.» Allein das Pflücken sei eine Kunst, Leute ohne Erfahrung hätten abends so zerstochene Hände, dass er für sie einen Chirurgen brauche.
Edle Note für exklusive Parfums
Volksfeste gehören zur Rosenernte, Dudelsäcke spielen auf. Und den Touristen zeigt man, wie alte Destillationsöfen aus Blütenblättern Rosenwasser und Rosenöl machen – früher standen sie hinter jedem Haus im Tal. Heute destilliert man in Fabriken.
Was gleich geblieben ist: Rosenöl aus Bulgarien ist wertvoll, so dickflüssig, dass man es in Kilogramm misst, 8000 Franken kostet das Kilo, Rosenöl aus Bulgarien steckt in den teuersten Parfums der Welt. Noch.
Bauer Hristo Nikolov sagt, seine Arbeiterinnen seien fast so wertvoll wie das Öl. «Mein grösstes Problem ist, dass ich kaum Rosenpflücker finde. Heute bräuchte ich 50, habe aber nur 25.» Was nicht gepflückt wird, fällt nach ein paar Tagen auf die Erde und verrottet.
Hristo Nikolovs beste Pflückerin verdient für ihre 102 Kilo Rosenblätter 60 Franken am Tag. Würde sie in einer der Waffenfabriken arbeiten, die ebenfalls im Rosental stehen, bekäme sie viel mehr. Die Waffenfabriken haben gerade viele Aufträge – sie produzieren für die Ukraine. Nur wer schon seit jeher Rosen pflückt oder nicht genommen wird in den Fabriken, arbeitet noch auf dem Feld.
Aussereuropäische Konkurrenz
Dass Rosenpflücken so schlecht bezahlt wird, hat mit Konkurrenz zu tun: Das Öl aus Marokko, das Öl aus dem Iran ist billiger. Seit Bulgarien in der Europäischen Union ist, müssen seine Rosenbauern Geld ausgeben für Dinge wie Sozialversicherungen. Das muss die Konkurrenz ausserhalb von Europa nicht.
Dazu kommt Corona: Die Kosmetikbranche hat sich in den Jahren der Masken und geschlossenen Flughäfen Gewinne abschminken müssen. Hristo Nikolov und viele andere Rosenbauern haben deshalb Verluste gemacht, Felder aufgegeben. Und jetzt, kaum verblasst Corona etwas, macht der Krieg in der Ukraine den Dünger so teuer, dass sie wieder draufzahlen.
Kritiker orten hausgemachte Probleme
Der bulgarische Staat hilft, aber nur ein bisschen. Nikolov – er ist auch Präsident der bulgarischen Rosenbauernvereinigung – sagt: Wenn die EU Bulgariens Rosenölbranche nicht als einzigartig anerkenne und unterstütze, verwelke sie.
Kritiker aber sagen, die Probleme der Rosenbauern seien auch deren eigene Schuld: Zu sehr verharrten sie in Traditionen, zu wenig beherrschten sie modernes Marketing. Am Volksfest hat man eine neue Rosenkönigin gewählt – eine junge Frau ganz in Rosa. Kaum hat sie allen eine segensreiche Ernte gewünscht, beginnt es zu regnen.