Nordmazedonien möchte in die EU. Doch immer wieder harzt es. Zuerst legte Griechenland ein Veto ein wegen eines Namensstreits. Mazedonien lenkte ein und nannte sich Nordmazedonien. Kaum war das Problem vom Tisch, stellte sich Bulgarien quer. Das EU-Mitglied sieht sich von Nordmazedonien in verschiedenen Bereichen massiv provoziert und verhindert, dass Beitrittsverhandlungen mit Brüssel beginnen.
Mit dem heutigen Besuch des neuen, seit Dezember amtierenden Ministerpräsidenten Bulgariens Kiril Petkow in der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje scheint nun aber eine gewisse Annäherung möglich. Er verständigte sich mit dem am Montag vereidigten neuen Ministerpräsidenten Nordmazedoniens, Dimitar Kovacevski, darauf, einen neuen Anlauf zur Beilegung der Differenzen zu versuchen.
Ein erster Schritt
Auch der westlich orientierte Harvard-Absolvent Petkow verlangt allerdings, dass Nordmazedonien die gemeinsame Geschichte anerkennt und den bestehenden Freundschaftsvertrag mit Bulgarien umsetzt. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern will Petkow aber die Vergangenheit im Moment ruhen lassen und plädiert dafür, dass sich die Länder kulturell besser kennenlernen und wirtschaftlich enger zusammenarbeiten.
Das ist ein niederschwelliger Ansatz und erster Schritt, wobei das Veto Bulgariens gegen EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien bleibt. Er sei aber optimistisch, dass eine Annäherung gelingen könne, sagte Petkow.
Vorgeschichte mit Jugoslawien
Dass sich Bulgarien von Nordmazedonien immer noch provoziert fühlt, hat eine lange Vorgeschichte. Die Länder waren einst Teil desselben bulgarischen Grossreichs. Die Spannungen begannen, als Mazedonien Teil des Vielvölkerstaats Jugoslawien wurde und alles Bulgarische verschwinden sollte.
Das mutet aus heutiger Sicht komisch an, lebten doch in Mazedonien Bulgaren, Serben, Griechen oder Albaner – mit ihren ganz unterschiedlichen Kulturen und Geschichten. Mit Blick auf den Zusammenhalt des komplizierten Vielvölkerstaats Jugoslawien ist es vielleicht am ehesten erklärbar: Damit das Gebilde zusammenhalten konnte, brauchte es einen gemeinsamen Mythos, eben eine gemeinsame mazedonische Geschichte. Die Kehrseite: All jenen drohte Gefängnis, die sich als Bulgaren bezeichneten.
Verletzter Stolz auf beiden Seiten
Die Schulbücher in Mazedonien sind bis heute anti-bulgarisch. So behauptet Nordmazedonien etwa, die Zaren aus grossbulgarischen Zeiten seien eigentlich Mazedonier. Auch behauptet Nordmazedonien, den Vorläufer des kyrillischen Alphabets erfunden zu haben, nicht Bulgarien. Doch Bulgarinnen und Bulgaren sind besonders stolz auf die Erfindung des Kyrillischen.
Die Differenzen in der Vergangenheit ziehen sich bis heute durch. Bulgarische Bürgerinnen und Bürger werden auf dem nordmazedonischen Arbeitsmarkt zum Teil diskriminiert, bulgarischen Firmen wird der Zugang zum nordmazedonischen Markt erschwert. Auch die lange versprochene Eisenbahnlinie nach Bulgarien baut Skopje nicht fertig.
Die Wut der Bulgaren und ihr einziges Mittel
Auch Bulgarien behandelt Nordmazedonien nicht durchwegs fair, ist doch das Veto gegen einen möglichen EU-Beitritt eine schwere Keule – und der einzige Hebel in diesem Streit. Bulgarien räumt inzwischen aber ein, dass es eine mazedonische Sprache gibt und das Mazedonische nicht bloss ein bulgarischer Dialekt ist. Und immerhin erkannte Bulgarien 1992 als erstes Land weltweit das heutige Nordmazedonien als Staat an – gegen den Willen der EU und Deutschlands.