MEGA steht auf den Plakaten der Anhänger von Martin Schulz. MEGA – das steht für «Make Europe great again». Eine selbstironische Botschaft in Richtung derjenigen, die im neuen SPD-Hoffnungsträger nichts weiter als einen Populisten sehen.
Die Botschaft gilt demnach auch dem deutschen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Dieser hatte in einem Interview mit dem «Spiegel» (Ausgabe 7/2017, Anm. d. Red.) einen Vergleich zwischen Schulz und Trump gezogen. «Die Art, wie er (Schulz, Anm. d. Red.) populistisch die angebliche Spaltung der Gesellschaft beschwört, folgt der postfaktischen Methode des US-Wahlkampfs.» Populist oder ehrliche Haut? An Martin Schulz scheiden sich die Geister. Das hat vor allem mit seiner Vita zu tun. Es ist ein Leben zwischen ‹denen da unten und denen da oben›.
Ein Star in der Provinz
Martin Schulz hat ein Leben vor der Politik gelebt. Es begann und endete in der Kleinstadt Würselen im Westen Deutschlands nahe der niederländischen Grenze. Aus dem Schulabbrecher mit Alkoholproblemen wurde dort 1987 der jüngste Bürgermeister im gesamten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Schulz war damals gerade einmal 31 Jahre alt.
In seine Amtszeit fällt die Ansiedlung von Gewerbe, aber auch das finanzielle Fiasko mit einem Spassbad, wie der «Tagesspiegel» am 6. Februar berichtet. Ausserdem soll er sich für Kindertagesstätten stark gemacht haben. Lokale Politik jenseits politischer Programmatik.
Auch über eine markante Eigenschaft von Schulz berichtet die Zeitung. «Man erfährt, dass er aus dem Stegreif Reden halten kann, von denen andere denken, sie seien vom Blatt abgelesen, so geschliffen sind die Formulierungen. Uralte Geschichten könne er so witzig erzählen, dass sich niemand langweilt», zitiert der «Tagesspiegel» Weggefährten von Schulz.
Ein Draufgänger, einer, der Dinge anreisst.
SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck hat in Brüssel mehrfach mit Martin Schulz zu tun gehabt. «Schulz ist sehr eloquent, er findet die richtigen Worte», bestätigt er die Redegewandtheit des SPD-Politikers. Aber er sei eben auch «sehr zielstrebig, ein Draufgänger, einer, der Dinge anreisst».
Anreissen oder besser an sich gerissen hat Martin Schulz vor allem die grosse internationale Politik. «Martin Schulz hatte als EU-Parlamentspräsident letztlich einen Job als Sitzungsleiter. Doch mehr als jeder seiner Vorgänger hat er aus dem Präsidium ein politisches Amt gemacht. Er hat als Parlamentspräsident für eine starke EU gekämpft», erklärt Ramspeck. Jean-Claude Juncker, Donald Tusk und eben Martin Schulz – das sind die Gesichter der EU.
Martin Schulz ist dermassen omnipräsent, dass es eigentlich mindestens zwei geben muss.
Und: «Schulz zelebriert seine Macht», sagt Ramspeck. «Er ist zum Beispiel häufig von vielen Bodyguards umgeben, mehr als Juncker, wie mir scheint.» In diesem Umfeld gären Witze. «Viele Parlamentarier werfen Schulz vor, er habe mehr an seine Karriere als an das Parlament gedacht. In Brüssel gibt es ein Bonmot zu Martin Schulz: ‹Schulz und Schulz› – angelehnt an die Figuren ‹Schulze und Schultze› aus den Tim-und-Struppi-Comics. Denn Martin Schulz ist dermassen omnipräsent, dass es eigentlich mindestens zwei geben muss.»
Mit Juncker verbinde Schulz übrigens eine Art «Männerfreundschaft», sagt Ramspeck. Beide hätten politische Geschäfte untereinander ausgekungelt. Dass Schulz zum Establishment der EU gehört, mache ihn angreifbar, so Ramspeck.
Zudem packt der «Spiegel» (Ausgabe 7/2017) eine unschöne Geschichte über Markus Engels, den designierten Wahlkampfmanager von Schulz, aus. Engels soll von Schulz auf fragwürdige Art Posten bei der EU erhalten haben und mit der Abrechnung seiner Dienstreisen soll er es auch nicht so genau genommen haben. Eine Reaktion des SPD-Politikers zu diesen Vorwürfen ist im betreffenden Beitrag nicht erwähnt.
Beliebter als Merkel
Allen Vorwürfen zum Trotz hat Schulz in Strassburg tatsächlich an seinem politischen Profil gefeilt. Er gilt als jemand, der die europäischen Institutionen stärken möchte, sogar eine europäische Regierung unter Kontrolle des EU-Parlamentes anstrebt. Mit seinem Parteikollegen Sigmar Gabriel hat er dazu sogar einen Zehn-Punkte-Plan entworfen. Jener Sigmar Gabriel, der eigentlich die SPD in den Bundestagswahlkampf führen sollte, stattdessen aber verzichtete. Zugunsten jenes Mannes, der so begnadet reden kann.
Offenbar ein gelungener Schachzug der SPD. Schon kurz nach der Bekanntgabe von Schulz' Kanzlerkandidatur geschahen Dinge, von denen man glaubte, sie seien nahezu unmöglich. Ein paar tausend Bürger sind neu der SPD beigetreten und Umfragen attestieren den Sozialdemokraten, gleichauf mit Merkels CDU zu liegen.
Bei einer Direktwahl wäre der SPD-Kandidat der Amtsinhaberin sogar laut ZDF-Politbarometer vom 17. Februar deutlich überlegen. Dort liegt die Zustimmungsrate für Schulz bei 49 Prozent, Amtsinhaberin Merkel kommt auf 38 Prozent. Für jemanden, der politisch kaum zu fassen ist, sind das Top-Werte. Immerhin: Innenpolitisch hat Martin Schulz mit seiner Ankündigung einer Überarbeitung der Arbeitsmarktreform 2010 nun eine erste Duftmarke gesetzt.