In der Geburtenabteilung der Mae-Tao-Klinik etwas ausserhalb der Stadt Mae Sot sitzen Frauen auf Betten, ihre Neugeborenen im Arm. Die 24-jährige Burmesin Phyu Win hat am Vortag eine Tochter zur Welt gebracht, ihre zweite. Einen Namen hat das winzige Mädchen noch nicht, die Mutter wirkt erschöpft.
Ihr Mann Myo Min Oo sagt, die Klinik sei ein Segen: «Ich weiss nicht, was wir machen würden, wenn wir nicht hierherkommen könnten.»
Der junge Burmese arbeitet auf den Zuckerrohr- und Maisfeldern thailändischer Bauern und verdient pro Tag umgerechnet drei Franken. Fünf Tageslöhne werde er nun als Spende an die Klinik geben.
Anlaufstelle für Vertriebene
Die meisten ihrer Patientinnen und Patienten hätten keine Papiere, sagt die 62-jährige Ärztin Cynthia Maung, die mit mütterlicher Fürsorge von Bett zu Bett geht. Die Klinik, die sie vor mehr als dreissig Jahren gegründet hat, besteht aus verschiedenen, einstöckigen Gebäuden, hat 120 Betten und finanziert sich vorwiegend aus Spenden.
1500 Kinder kommen hier jährlich zur Welt, 50'000 burmesische Patienten bekommen medizinische Hilfe. «In den ersten zwanzig Jahren kamen die meisten, weil sie an Malaria erkrankt waren», sagt die Ärztin. «Jetzt ist die Geburten- und Kinderabteilung unsere grösste Abteilung. Unter den Migranten haben wir auch viele HIV-Patienten.»
Die Klinik versorgt jedoch nicht nur Burmesen, die in Thailand leben. Bevor die Grenzen zu Beginn der Pandemie geschlossen wurden, kamen auch viele Patienten aus Burma, wo die Gesundheitsversorgung immer noch schlecht ist. Maung und ihr Team bildeten in den letzten Jahren zudem mehrere Tausend Freiwillige aus. Sie leisten in den Gebieten der ethnischen Minderheiten der Mon und Karen medizinische Grundversorgung.
Maung gehört selbst der ethnischen Minderheit der Karen an und erinnert sich an die jahrzehntelangen Kämpfe zwischen der burmesischen Armee und der Karen Befreiungsarmee, die für mehr Autonomierechte kämpfte. 2015 wurde ein Waffenstillstand geschlossen.
Wir sind eine offenere Gesellschaft und wissen, was Demokratie und Menschenrechte sind. Eine Demokratie sind wir trotzdem noch nicht.
Doch die Situation für die Bevölkerung habe sich nur teilweise verbessert, sagt die Ärztin. Es werde zwar weniger gekämpft, die Leute fühlten sich sicherer und es gebe eine bessere medizinische Versorgung. «Aber die Armee ist nach dem Waffenstillstandsabkommen weiter in unser Gebiet vorgerückt. Sie besetzt Land und macht oft gemeinsame Sache mit Grossinvestoren, die keine Rücksicht auf unsere Umwelt und die lokale Bevölkerung nehmen.»
Seit dem Militärputsch am 1. Februar kam es wieder vermehrt zu gewaltsamen Zusammenstössen zwischen der burmesischen Armee und der Karen Befreiungsarmee.
Die seit Wochen anhaltenden Massenproteste, die Verhaftungswellen und das gewaltsame Vorgehen der Militärs gegen die eigene Bevölkerung sind für Maung wie ein Déjà-vu von 1988, als sie selbst gegen die Militärdiktatoren auf die Strasse gegangen war.
Doch heute sei die Zivilgesellschaft viel stärker, sagt die Ärztin: «Wir sind eine offenere Gesellschaft und wissen, was Demokratie und Menschenrechte sind. Eine Demokratie sind wir trotzdem noch nicht. Noch ist es zu früh, um zu sagen, wer diesmal gewinnt, doch wir sind optimistisch.»
Aus dem sicheren Thailand zusehen und abwarten, will die Ärztin nicht. Sie helfe, Geld zu sammeln für den Widerstand in Burma und schicke Medikamente über die Grenze. In Anbetracht der zunehmenden Gewalt ist diese Hilfe mit Sicherheit willkommen.