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Uruguay: Ein Modell für Europas Kifferinnen und Kiffer?
Aus International vom 19.11.2022. Bild: Keystone
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Cannabiskonsum Uruguay: Ein Modell für Europas Kifferinnen und Kiffer?

Uruguay war vor bald 10 Jahren das erste Land weltweit, das Marihuana vollständig legalisierte. Die Erfahrungen im südamerikanischen Land sind für die Legalisierung in der Schweiz, aber auch in ganz Europa interessant.

Im Auftrag der Regierung von Uruguay produziert das Gewächshaus Simbiosys zwei Tonnen Cannabis pro Jahr. Geerntet aus grünen, etwa ein Meter hohen Marihuana-Pflanzen. Diese Pflanzen beinhalten THC, also den Wirkstoff, der den Rausch auslöst, weswegen weltweit Menschen Marihuana rauchen.

Eine Marihuana Pflanze ist angeschriftet,
Legende: Der Begriff Marihuana steht heute für Cannabis-Pflanzen mit mehr als 0.2 Prozent THC-Gehalt. SRF/ David Karasek

Wir sind 60 Kilometer ausserhalb von der Hauptstadt Montevideo. Hier auf einem staatlichen Gelände steht das streng bewachte Gewächshaus der Firma Simbiosys.  Die Arbeiterinnen und Arbeiter tragen weisse Schürzen und weisse Kopfhauben – wie in einem Labor.

Keine Fremdkörper wie Haare oder Dreck dürfen sich unter die Pflanzen mischen. Die Regierung bestimmt, dass die Marihuana-Blüte mindestens einen Zentimeter dick sein muss, sonst wird das Produkt weggeworfen. Nur das Beste für das Kiffer-Glück in Uruguay.

Im Gewächshaus stehen mehrere Tische mit Marihuana Pflanzen.
Legende: Hier werden die Marihuana-Pflanzen gezüchtet: im Gewächshaus der Firma Simbiosys ausserhalb von Montevideo. SRF/ David Karasek

Im Dezember 2013 hat die Regierung Cannabis vollständig legalisiert. Sie war davon überzeugt, dass die Legalisierung den Drogenbanden das Geschäft entzieht – mindestens beim Cannabis-Handel.

Tatsächlich: Der illegale Cannabis-Handel ist seit 2014 um ein Fünftel zurückgegangen. Laut einem Bericht der staatlichen Beobachtungsstelle für Drogen entgingen den Drogenkartellen somit 22 Millionen US-Dollar.

Drei Arten, Cannabis zu konsumieren

Kifferinnen und Kiffer müssen sich in Uruguay offiziell beim Staat registrieren. Danach gibt es drei Möglichkeiten, um legal Marihuana zu konsumieren: selbst anpflanzen – höchstens sechs Hanfpflanzen – einem Klub beitreten, der gemeinschaftlich Hanf anbaut.

Oder: Marihuana rezeptfrei in der Apotheke kaufen. Das machen in ganz Uruguay derzeit rund 50'000 registrierte Nutzerinnen und Nutzer. Sie können zehn Gramm Marihuana pro Woche in der Apotheke beziehen. Das reicht für etwa 20 Joints. Mehr darf ein Erwachsener pro Woche nicht kaufen.

Cannabis aus der Apotheke

Im Zentrum von Montevideo steht die Apotheke Antártida, eine der grössten Apotheken der Hauptstadt.

Eine Apotheke mit offener Tür von vorne fotografiert.
Legende: In der Apotheke Antártida können Kundinen und Kunden legal Cannabis kaufen. SRF/ David Karasek

Erst vorne bei der Kasse wird klar, dass hier nicht nur Medikamente und Körperpflegeprodukte verkauft werden. Auf einer Glasvitrine stehen Hanfpfeifen in allen Grössen und Farben, weisse Drehpapierchen, Hanfmühlen und Feuerzeuge.

Eine junge Frau steht hinter der Kasse.
Legende: Ganz legal kann man in Uruguay an der Kasse in einer Apotheke Cannabis kaufen. SRF/ David Karasek

Die Kifferinnen und Kiffer können aus verschiedenen Cannabissorten wählen, genannt Alfa I, Alfa II, Beta I, Beta II und Beta III. So steril wie diese Namen, so steril sieht die Verpackung aus.

Eine Packung Cannabis von nahem fotografiert.
Legende: In Plastiksäcken ist der Cannabis eingepackt. Dabei stehen Warnhinweise auf der Packung. SRF/ David Karasek

Eine 5-Gramm-Packung Cannabis kostet 390 uruguayische Pesos, umgerechnet etwa zehn Franken. Die Regierung bestimmt den Preis, es ist keine Steuer drauf, der Preis ist tiefer als auf dem Schwarzmarkt.

Der Gehalt des psychoaktiven Wirkstoffs THC beträgt neun Prozent. Das ist halb so viel wie auf dem Schwarzmarkt und somit halb so stark. Uruguays Erfahrungen mit Cannabis sind für die Legalisierung in ganz Europa interessant.

Die meisten Länder diskutieren zuerst über medizinischen Cannabis, [...] und erst in einem zweiten Schritt über die Möglichkeit, den Konsum für Erwachsene zu regulieren.
Autor: Daniel Radío Direktor der nationalen Drogenbehörde Uruguays

In vielen europäischen Ländern sind Cannabisprodukte erlaubt, wenn sie weniger als ein Prozent THC enthalten. Beispiele sind Hanfblüten, Duftöle, Salben oder Tropfen.

Daniel Radio schaut mit ernstem Blick in die Kamera.
Legende: Daniel Radío, Direktor der nationalen Drogenbehörde Uruguays, ist von der Drogenpolitik in Uruguay überzeugt. SRF/ David Karasek

Daniel Radío, Direktor der nationalen Drogenbehörde Uruguays sagt, die Legalisierung in Uruguay sei den umgekehrten Weg gegangen im Vergleich zu Europa:

«Die meisten Länder diskutieren zuerst über medizinischen Cannabis, oder harmlose Hanf-Öle und erst dann in einem zweiten Schritt über die Möglichkeit, den Konsum für Erwachsene zu regulieren. Hier in Uruguay haben wir zuerst den Konsum für die Erwachsenen geregelt und erst danach medizinisches Cannabis fast ohne THC dazu genommen. Ich finde das ehrlicher.»

Verbotene Droge in der Schweiz

Das erste Land, das vielen bei Cannabis in den Sinn kommt, sind die Niederlande. Entgegen der gängigen Meinung ist Cannabis dort nicht legal. Verkauf und Konsum werden lediglich geduldet. Der Anbau ist strafbar. Coffee-Shops in Amsterdam müssen Cannabis auf dem Schwarzmarkt einkaufen.

In der Schweiz gilt Cannabis als verbotene Droge. Seit 2021, mit dem geänderten Betäubungsmittelgesetz, ermöglicht der Bund aber Pilotversuche in verschiedenen Städten.

Video
Aus dem Archiv: Cannabis-Legalisierung – Wo steht die Schweiz beim Kiffen?
Aus Impact vom 02.01.2023.
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Dort kann Cannabis zu Genusszwecken legal bezogen werden. Dieser Versuch soll wissenschaftliche Erkenntnisse für eine künftige mögliche Legalisierung liefern. Auch andere europäische Länder denken über Legalisierungsschritte nach.

In Deutschland soll Cannabis künftig rechtlich nicht mehr als Droge eingestuft werden. Die Regierung will bald sogar einen Gesetzesentwurf zur Legalisierung vorlegen.

Das am wenigsten korrupte Land Südamerikas

Uruguay hat das alles als Marihuana-Pionier schon vor fast 10 Jahren getan und ist damit das erste Land der Welt, das Cannabis für den Freizeitgebrauch legalisiert hat.  Wieso ausgerechnet Uruguay?

Das kleine Land, eingepfercht zwischen Brasilien und Argentinien, überzeugt mit stabilen politischen Verhältnissen. Uruguay ist ein Vorzeigeland. Es gehört zu den besten in vielen Statistiken: Das Pro-Kopf-Einkommen ist mit umgerechnet 17'000 US-Dollar im Jahr eines der höchsten in Südamerika.

Uruguay ist auch eine der stabilsten Demokratien weltweit. Auf dem Demokratie-Index der britischen Wochenzeitung «Economist» liegt Uruguay auf Platz 13, nur drei Plätze hinter der Schweiz. Und auch in einem anderen Punkt sind sich die Statistiken ziemlich einig: Uruguay ist das am wenigsten korrupte Land Südamerikas.

Nur in so einem grundsoliden Rechtsstaat sei es überhaupt möglich, dass der Staat zum Dealer werde, sagt die Politologin Lorena Repetto vom Forschungszentrum Monitor Cannabis der Universidad de la República in Montevideo.

Angebot deckt Nachfrage nicht

Das Hauptziel der Legalisierung wurde jedoch nicht erreicht: die Aufhebung des Schwarzmarktes.

Diejenigen, die stärkeren Cannabis wollen, gehen nicht auf den legalen Markt. Sie suchen die Drogendealer in den Armenvierteln auf. Die verkaufen Cannabis aus Paraguay mit doppelt so viel THC Gehalt.

Zudem gibt es zu wenig staatlich hergestelltes Gras. Das Angebot deckt die Nachfrage nicht. Weil die Apotheken ihre Kundinnen und Kunden nicht immer versorgen können, verkaufen private Anbauerinnen und Anbauer einen Teil ihres Marihuanas. Somit gibt es in Uruguay zwei Schwarzmärkte: den traditionellen mit Gras aus Paraguay. Und den Schwarzmarkt mit legal angebautem Gras, welches illegal verkauft wird.

Video
Aus dem Archiv: Cannabis – Von der Hippiedroge zum medizinischen Hype
Aus Puls vom 25.04.2022.
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Derzeit beziehen nur etwa 30 Prozent der Kifferinnen und Kiffer legales Gras vom Staat. Das sei zu wenig, sagen die Behörden. Die Regierung will nun das Angebot erweitern, um den Schwarzmarkt unattraktiver zu machen.

Jetzt sollen darum stärkere Cannabis-Sorten mit doppelt so viel THC auf den Markt kommen. Der Stoff des Staates sei zu schwach. Bislang darf nur, wer in Uruguay wohnt, Marihuana legal kaufen.

Cannabis für Touristen?

Die Regierung arbeitet seit vier Monaten an einer Gesetzgebung, die Cannabis für Touristen freigeben soll. Diese Legalisierung habe nicht das Ziel, Touristen anzulocken, sondern diese vom Schwarzmarkt fernzuhalten, heisst es von Regierungsseite.

Daniel Radío – Direktor der nationalen Drogenbehörde – sagte kürzlich, jede Touristin, jeder Tourist könne in Uruguay jederzeit ein Glas Wein trinken. Weiter meinte er: Sie sollten auch einen Joint rauchen können.

Echo der Zeit, 18.11.2022, 18 Uhr

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