«Es ist ein bitterer Tag für die CDU», sagte Generalsekretär Paul Ziemiak nach der verlorenen Wahl in Hamburg, wo die Partei ihr historisch schlechtestes Ergebnis erreichte und das zweitschlechteste je bei einer Landtagswahl. Der Grund war schnell gefunden: die Krise in Thüringen.
Dort hatte die Bundes-CDU eine Zusammenarbeit mit der AfD (und dem amtierenden Ministerpräsidenten von der Linken) verboten, worum sich die Landes-CDU aber nicht scherte und zusammen mit der AfD den Kampfkandidaten von der FDP wählte. Darauf brach ein Empörungssturm los, FDP und CDU wurden als Faschistenfreunde bezeichnet und die Kanzlerin forderte in einem demokratiepolitisch denkwürdigen Moment, das Ergebnis müsse «rückgängig» gemacht werden.
«Rumeiern» schadet der CDU
Nun ist die Regierungs-Krise in Thüringen längst nicht ausgestanden, das Hickhack geht weiter: Die Landes-CDU brachte am Wochenende einen neuen Kompromiss-Vorschlag, für den es aus den eigenen Reihen sofort Kritik hagelte. Dieses «Rumeiern», wie es der CDU-Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und Parteivorstand Daniel Günther bezeichnet, ist blamabel für die ehemals stolze Volkspartei. Doch auch heute kam von Noch-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer wenig Konkretes dazu.
Nicht erst seit Thüringen brennt es in der CDU – doch nun ist die Misere für jeden offensichtlich geworden. Wer hat in dieser Partei eigentlich das Sagen? Und wofür genau steht sie, ausser für eine mantrahafte Abgrenzung gegen Links und Rechts, die nach dem Thüringen-Manöver nicht nur unglaubwürdig geworden ist, sondern ihr von vielen als problematische Äquidistanz ausgelegt wird?
Nach dem Terror-Anschlag von Hanau waren es CDU-Spitzenleute, die die AfD reflexartig mitverantwortlich machten, und AKK wird nicht müde, die Vorwürfe an die AfD zu wiederholen. Diese mögen plausibel sein, allein: Der Absender dieser Botschaft – die CDU – hat viel mehr als Schuldzuweisungen und Doppelmoral nicht zu bieten.
Merkels langer Schatten
Die Partei ist orientierungs- und führungslos. Annegret Kramp-Karrenbauer hatte eine Nachfolgeregelung bis Ende des Jahres angekündigt, nun soll es doch schneller gehen, denn die CDU kann sich keine monatelange Personaldebatte leisten. Ende April soll ein Sonderparteitag AKKs Nachfolger wählen.
Es sieht nach einer Kampfkandidatur aus. Denn bei einer internen Absprache hinter verschlossenen Türen, wie sie sich AKK gewünscht hatte, spielen die Bewerber nicht mit. Und selbst wenn es ohne öffentliche Zerfleischung und lange Nabelschau funktionierte, ist nicht verschwunden, was AKK als Hauptgrund für ihren Rücktritt angegeben hatte: der lange Schatten von Angela Merkel.
Politisch (w)irre Zeiten
Auch der neue Chef hat es mit einer Kanzlerin zu tun, die noch anderthalb Jahre im Amt bleiben will, soll also die Partei befrieden und wieder auf Kurs bringen, die Tür zum Kanzleramt aber bleibt versperrt. Nicht zuletzt deshalb, weil die SPD bei einem fliegenden Kanzler-Wechsel noch vor Ende der Legislatur nicht mitmachen würde.
Kaum ein Demokrat kann ein Interesse daran haben, dass sich die wichtigste Volkspartei des Landes selbst zerlegt. In politisch (w)irren Zeiten wie diesen wäre eine klare und besonnene CDU wünschenswert. Politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen bleiben genug in Deutschland.
SRF 4 News; 24.02.2020 16 Uhr