In China ist die Zahl der Todesopfer durch das Coronavirus erneut angestiegen. Allein in der Provinz Hubei gibt es 24 neue Todesopfer, berichtet das Staatsfernsehen am Dienstag. Inzwischen ist Chinas Premierminister Li Keqiang im Auftrag von Präsident Xi Jingping nach Wuhan gereist. Die Hauptstadt der Provinz mit ihren elf Millionen Einwohnern ist bisher am stärksten betroffen. SRF-Korrespondent Martin Aldrovandi erklärt, was es mit diesem Besuch auf sich hat.
SRF News: Hat der Besuch des Premierministers in Wuhan etwas bewirkt?
Martin Aldrovandi: Ich würde sagen, ja. Die Aufnahmen sieht man in allen staatlichen Medien. Auch in den sozialen Medien wurden die Bilder oft geteilt. Zum Beispiel ein Besuch im Supermarkt, bei dem sich Li Keqiang auch mit einer gewöhnlichen Kundin unterhält. So etwas kommt in der Regel gut an. Aber es wird auch kritisiert, dass der Premier den Kopf hinhalten muss, nicht der Präsident. Diese Kritik sieht man aber nicht in den öffentlichen Medien.
Im Normalfall wird Kritik an der Regierung zensiert. Warum diesmal nicht?
Das ist eine interessante Situation: Am Anfang haben viele staatliche Medien in China sehr viel über die Krankheit berichtet. Das wurde nun ein bisschen zurückgefahren. Jetzt versucht die Regierung, den Informationsfluss – also die Art, wie berichtet wird – wieder unter Kontrolle zu bringen. Man sieht auf den chinesischen sozialen Netzwerken, zum Beispiel auf Weibo, dass vor allem die Lokalregierung kritisiert wird. Das wird zugelassen, damit die Leute ihren Frust ablassen können. Das kann man ja nicht total verbieten.
Es wirkt ein bisschen so, als würden er und die Provinzregierung quasi zu Sündenböcken, die für alles geradestehen müssen, damit die Kritik nicht noch weiter hochgeht.
Auch der Bürgermeister von Wuhan muss sich viel Kritik gefallen lassen. Es wirkt ein bisschen so, als würden er und die Provinzregierung quasi zu Sündenböcken, die für alles geradestehen müssen, damit die Kritik nicht noch weiter hochgeht. Aber man sieht zum Beispiel auf Youtube und anderen Kanälen, die in China nicht zugänglich sind, auch Kritik von Leuten in Wuhan, die die ganze Regierung – also auch die Zentralregierung – kritisieren. Aber diese Zensurmauer kann man nur mit VPN (Virtual Private Network) umgehen.
In einigen grossen Städten haben die Behörden Zwangsferien verhängt. So bleiben Schulen und Universitäten bis Mitte Februar geschlossen. Sie leben selbst in Schanghai. Wie gehen die Menschen dort damit um?
Die meisten Schulkinder freuen sich natürlich, dass sie länger Ferien haben. Für die Studenten, die von auswärts kommen, ist es ein bisschen mühsam, weil sie nicht in die Stadt zurückfahren dürfen, wenn sie aus einer anderen Provinz kommen. Ansonsten sind die Menschen vorsichtig.
Man bleibt zu Hause, schaut fern und versucht, sich nicht gross zu bewegen, wenn man es irgendwie vermeiden kann.
Sie haben nicht allzu grosse Angst, aber was man sieht ist, dass fast jeder und jede einen Mundschutz trägt. Und die Leute gehen weniger hinaus, auch weil chinesisches Neujahr ist. Man bleibt zu Hause, schaut fern und versucht, sich nicht gross zu bewegen, wenn man es irgendwie vermeiden kann.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.