Es ist das grösste chinesische Projekt in Argentinien: Zwei Staudämme mit Wasserkraftwerken am Rio Santa Cruz, dem Gletscherfluss in Patagonien. Die erste Turbine soll 2023 in Betrieb gehen – finanziert durch chinesische Banken mit knapp fünf Milliarden Dollar.
In einem Werbevideo für die Wasserkraftwerke spricht Projektleiter Eduardo Dalla von seiner erstmaligen Zusammenarbeit mit den Chinesinnen und Chinesen: «Das grösste Problem ist die Verständigung, die verschiedenen Sprachen – aber wir haben das gleiche Ziel. Das ist das Wichtigste.» China ist das entscheidende Stichwort in der Diskussion um Wasserkraftwerke. Denn die Volksrepublik ist Geldgeber, Bauherr und Antreiber.
Erneuerbare Energien
China habe momentan eine grosse Präsenz bei der Wasserkraft, vor allem in Brasilien, Peru und Argentinien, bestätigt Margaret Myers, Leiterin des China- und Lateinamerika-Programms der Non-Profit-Organisation Inter-American Dialogue. Damit verbunden sei ein beträchtlicher Einfluss auf die Stromerzeugung und -verteilung.
«Chinas Rolle bei den erneuerbaren Energien, insbesondere Solar und Wind, wird immer grösser», so Myers. Für Argentinien ist das ein zweischneidiges Schwert: Einerseits bekommt das Land Geld und Know-how aus China, um die teils marode Infrastruktur auszubauen. Andererseits fliesst nur ein geringer Teil des investierten Geldes in argentinische Firmen. Denn mit den Finanzierungsangeboten sichert sich China in erster Linie Aufträge für die eigenen Unternehmen.
Politik spielt immer mit
Das Muster der Handelsbeziehungen zwischen China und Lateinamerika entspricht den althergebrachten Beziehungen zwischen westlichen Industrieländern und der Region: Lateinamerika liefert Rohstoffe – vor allem Kupfer und Soja – und China Investitionen und Technik.
Mit dem intensiven Engagement verspreche sich China auch weitreichende politische Vorteile, betont Myers: «Das Land nutzt die Investitionen, um sich von den Ländern Stimmen in UNO-Gremien und Unterstützung für seine Ein-China-Politik zu sichern.» China habe aber auch eine andere Auffassung vom Gebrauch des Internets als die USA und Europa oder wie die Medien aussehen sollten.
Chinesischer Staat zurückhaltender
Ein Umdenken findet aber beim Thema Kredite statt: Erstmals seit 15 Jahren vergaben die beiden grossen chinesischen Entwicklungsbanken 2020 keine neuen Kredite in der Region. Wegen der Corona-Krise konzentrierten sich die staatlichen Kreditinstitute auf Projekte im eigenen Land.
Jahrelang hatte China vor allem linksgerichteten Regierungen riesige Kredite eingeräumt. Die Hälfte ging an das sozialistische Regime in Venezuela. Kredite von Regierung zu Regierung vergibt China nun kaum noch. Dafür sind die Direktinvestitionen chinesischer Unternehmen bedeutender geworden.
Wenn nur die Chinesen mitbieten...
«Einige dieser Projekte sollte es vielleicht besser nicht geben», stellt Myers fest. Höchst umstrittene Projekte am Amazonas zum Beispiel, die sowohl aus sozialer wie ökologischer Sicht niemand sonst anfasse. Doch die Chinesen böten als einzige mit.
«Länder Lateinamerikas nehmen China so als verlässlichen Partner wahr, der an die Region glaubt und einen Plan für die Zukunft hat», so Myers. Argentinien und China verhandeln zurzeit über ein neues Investitionspaket im Wert von 30 Milliarden Dollar. Es geht um 15 Infrastruktur- und Energieprojekte.