Montenegro hat Schulden. Schulden, die so hoch sind, dass das kleine Land an der Adria die EU um Hilfe gebeten hat. Doch die EU will Montenegro bei der Rückzahlung nicht unterstützen. Jedes Land sei frei, seine eigenen Investitionsentscheidungen zu treffen, sagte ein Sprecher der EU. Und: Die EU zahle keine Kredite von Dritten zurück. Konkret von China.
Der Kleinstaat hat im Jahr 2014 chinesische Kredite in Milliardenhöhe in Anspruch genommen, um ein Autobahn-Projekt finanzieren zu können. Das Infrastrukturprojekt – gebaut vom chinesischen Generalunternehmer China Road and Bridge Corporation, finanziert durch die chinesische Exim-Bank – soll den Hafen von Bar an Montenegros Adriaküste mit dem Nachbarn Serbien verbinden. Der Kredit wurde für einen 44 Kilometer langen Abschnitt der 165 Kilometer langen Autobahn ausgegeben. Bald werden die ersten Raten fällig.
Die finanzielle Unterstützung aus China war nicht die erste Wahl für Montenegro. Doch es liessen sich keine westlichen Partner finden. Ein chinesisches Staatsunternehmen bot schliesslich vor etwa sieben Jahren seine Unterstützung an.
Die damalige Regierung schnappte trotz Warnungen der Opposition zu.
«Es bot an, den Bau eines ersten, nur 40 Kilometer langen Teilstücks durch die Berge mithilfe einer chinesischen Bank zu realisieren», sagt Thomas Roser, Balkan-Korrespondent der österreichischen Zeitung «Die Presse». «Die damalige Regierung schnappte trotz Warnungen der Opposition zu und nahm einen Kredit von einer Milliarde Dollar auf.»
Das sind Schulden, die das Land mit rund 622'000 Einwohnerinnen und Einwohnern nicht allein zu bewältigen weiss. «Die Staatsschuld ist auf über 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts geklettert und ein Viertel macht dieser Kredit aus», so Roser. Dazu kommen die Coronakrise und die Abhängigkeit vom Tourismus.
Unterstützung dank Wirtschafts- und Investitionsplan für den Westbalkan
Das Land will Hilfe von der EU, diese sagt Nein zu einer direkten Bezahlung der Kredite. Unterstützung bietet die EU-Kommission dennoch an: Sie könne das nächste Teilstück der Autobahn zu günstigen Konditionen finanzieren.
Würde die EU den Schuldenberg übernehmen, wäre das ein Zeichen für die teils autoritär gestrickten Regenten, sich mit Schulden zu überhäufen. Man könne die EU in diesem Fall also auch verstehen, so Roser. Aber: «Generell muss ein Zeichen der Solidarität gegeben werden und die EU wäre gut beraten, zumindest bei der Umschuldung zu helfen.»
Auch in weiteren Teilen des Balkans ist der chinesische Einfluss gross. Peking hat in den letzten Jahren im Westbalkan hohe Kredite vergeben: In Serbien, Bosnien, Albanien. Auch in Asien und Afrika haben viele Länder von den chinesischen Krediten und den Versprechen auf Infrastrukturprojekte profitiert.
China sei weltweit der wichtigste öffentliche Geldgeber für Entwicklungs- und Schwellenländer, schätzt der Ökonom Sebastian Horn im Interview mit der NZZ. «China vergibt mehr Kredite als irgendein Mitglied des Pariser Klubs. Und China vergibt mehr Kredite als die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds (IWF).»
Ihre leichte Erhältlichkeit würde die chinesischen Kredite so attraktiv machen, so Roser, ohne jahrelange Machbarkeitsstudien oder Umweltverträglichkeitsprüfung. «Die Schattenseite ist, dass sich die Empfängerländer auch wegen des Fehlens einer guten Überprüfung der Projekte oft überschulden und immer tiefer in die Abhängigkeit vom Gläubiger geraten.»