Der Name Giuseppe Conte tauchte aus dem Nichts auf. Als sich vor gut einem Jahr Cinque Stelle und Lega nicht auf einen Premier einigen konnten, suchte man einen möglichst unauffälligen, neutralen Kompromisskandidaten.
Es schlug die Stunde des bisher völlig unbekannten Rechtsprofessors. Doch ganz so unauffällig war Conte dann doch wieder nicht: Er sagte, er wolle der Anwalt des Volkes sein. Doch dieses kannte ihn freilich noch gar nicht.
Die ersten Schritte des Süditalieners in den Palästen Roms waren unsicher. Im Parlament, bei einer seiner ersten Reden, musste ihm Cinque-Stelle-Chef Luigi Di Maio zuflüstern, was er zu sagen hatte. Conte wusste nicht weiter.
Italien und der EU zu viel versprochen
Neben dem lauten Lega-Chef Matteo Salvini ging er sowieso unter – zumindest am Anfang. Seine grosse Bühne war zuerst nicht Rom, sondern Brüssel. Dort warb er vor den anderen Staats- und Regierungschefs für das italienische Budget, das einmal mehr eine weitere Verschuldung vorsah.
Contes Credo war es, über zusätzliche Schulden für Sozialausgaben und Frühpensionierungen die Wirtschaft zu stimulieren. «Glaubt mir, wir werden wachsen», sagte er. Er versprach viel, auch dass seine Regierung aus Cinque Stelle und Lega fünf Jahre lang halten werde. Er hatte zu viel versprochen: Italien schlitterte in eine Rezession und die Regierung hielt nur 15 Monate.
Kein Widerspruch in der Flüchtlingsfrage
Geprägt hat diese Monate Innenminister Salvini. Jedes private Rettungsschiff, das vor den Küsten Italiens auftauchte, liess er tage- und wochenlang warten. Tröpfchenweise wurden zuerst Kranke, Kinder oder Frauen an Land geholt. Die Männer aber, oft gezeichnet von Folter und Entbehrungen, mussten lange auf den Schiffen ausharren. Conte versuchte zu vermitteln und die EU dazu zu bewegen, endlich einen Verteilschlüssel für die Flüchtlinge festzulegen.
Brüssel aber blieb taub und Salvini liess zuletzt ein Gesetz verabschieden, das es ermöglicht, private Retter mit bis zu einer Million Euro zu büssen. Conte leistete keinen Widerstand, er rechtfertigte dies. Gesetze habe Italien nie verletzt, sagte Conte zur Migrationspolitik seiner Regierung. Das mag stimmen. Aber jetzt, da es darum geht, eventuell Premier einer neuen Regierung mit den Sozialdemokraten zu werden, steht ihm das im Weg.
Dem Innenminister die Leviten gelesen
Erst in den letzten Wochen seiner Regierung setzte sich Conte in gewissen Fragen klar von Salvini ab. Bei seiner Rücktrittsrede im Senat profilierte er sich gar als dessen wortreicher Herausforderer: Salvini habe als Innenminister persönliche und Parteiinteressen im Auge gehabt – nicht jene des Volkes.
Dass der Lega-Chef umfassende Vollmachten anstrebe, beunruhige ihn. Conte sagte dem neben ihm sitzenden Salvini auch, religiöse Symbole an Wahlveranstaltungen zu zeigen, sei unverantwortlich. Worauf der Angesprochene demonstrativ einen Rosenkranz hervornahm und küsste.
Offiziell ist Conte gar nicht Mitglied des Movimento Cinque Stelle, aber er war von diesem entdeckt und portiert worden. Heute ist er einer der populärsten Politiker Italiens. Dies auch, weil er in dieser Regierung der Einzige war, der Salvini ruhig und sachlich Paroli bieten konnte. Fünf-Sterne-Chef Di Maio verblasst im Vergleich. Auch darum fällt es der Protestbewegung so schwer, den aus dem Nichts aufgetauchten Rechtsprofessor wieder ziehen zu lassen.