Der Anfang ist schon mal schlecht. Es regnet, die Urlauber drängen sich unter den Bäumen an der Uferpromenade von Binz. Strandgespräche bei Softeis. Wo haben Sie ihren Urlaub geplant? «Auf Gran Canaria», antwortet ein Urlauber. Wie finden Sie es jetzt hier? «Das Wetter könnte besser sein.»
Ist wenigstens das Eis gut? «Auch davon sind wir enttäuscht», meint er lachend. Doch die trübe Stimmung ist nur dem momentanen Regen geschuldet. Die deutschen Feriengäste sind eigentlich gut drauf.
Rügen ist einfach zu schön, um schlechte Laune zu haben. Das spezielle Licht bringt das satte Grün der Bäume, die bis zur letzten Düne vor dem Strand wachsen, und das intensive Blau des Meeres zum Leuchten.
Die weissen Strandkörbe haben ihr Pendant in den kleinen Wölkchen am Himmel, wo schlecht geölte Möwen krächzen. Darunter führen die einen ihre Schönheit aus, und die anderen sind einfach glücklich.
Den Charme von Süditalien
«Meine Oma hat immer gesagt, in den 30er, 40er Jahren hätten die Gäste gemeint, das könnte fast die Bucht von Sorrent sein, so schon war die Anlage», sagt Micha Müller, Geschäftsführer des Strandhotels Binz. Und das Geschäft läuft richtig gut. Zwar wurden Grossanlässe wie das Störtebeker Festival abgesagt, aber wegen Corona entdecken nun die Wessis Rügen.
Denn, so sagt Müller: «Erst 30 bis 35 Prozent der Urlauber aus den westlichen Bundesländern haben es überhaupt geschafft, hier vorbeizuschauen. Das ist nicht viel. Da ist noch Potenzial ohne Ende.» 90 Prozent des letztjährigen Umsatzes werde er dieses Jahr erwirtschaften, sagt Müller. Trotz Coronakrise. Denn was im Frühling fehlte, werde für den Herbst nachgebucht.
Noch optimistischer ist der Kurdirektor von Binz. Kai Gardeja glaubt: «In den Betriebsergebnissen werden wir auf Vorjahresniveau herauskommen.» Aber die Steuereinnahmen der Gemeinden würden sinken, prognostiziert er. Dies, weil das lokale Gewerbe wegen des Coronavirus weniger Aufträge hatte.
Aus Sorglosigkeit ohne Maske
Sieht man Corona auf Rügen? FKK mit Maske gibt es nicht. Auch auf der überfüllten Strandpromenade trägt keiner Maske, aber im Hotel wird mit Argusaugen darauf geachtet. Also: Detailversessen im Kleinen, doch im Grossen wird das Maskentragen gern vergessen. Das kann man erklären.
Im März konnten Sie am Fuss der Strandpromenade diese 800 Meter bis hoch zur Seebrücke schauen, und da war kein Mensch.
Mecklenburg-Vorpommern hat kaum Covid-19-Fälle. Umso besorgter sind die lokale Bevölkerung und das Personal, während die Touristen auf der Promenade sorgloser sind. «Im März konnten Sie am Fuss der Strandpromenade diese 800 Meter bis hoch zur Seebrücke schauen, und da war kein Mensch», sagt Müller. «Da habe ich zu meiner Frau gesagt, wenn jetzt hier noch ein Strohballen von links nach rechts weht, dann haben wir hier einen Western.» Es sei gruselig gewesen, erzählt der Hotelmanager.
«Aber die Leute, die Einheimischen, die Mitarbeiter, haben in dem Moment begriffen: Wir haben hier leider nur noch Kurzarbeitergeld, es geht ans eigene Portemonnaie.» Das sei die Motivation gewesen, so Müller, dies wieder hinzukriegen – nicht nur der eigene Gesundheitsschutz und der Schutz der Gäste. Sonst gäbe es wieder nur Kurzarbeitergeld. «Ich glaube, das wirkt.»