Das indische Gesundheitsministerium hat heute den siebten Tag in Folge mehr als 300'000 bestätigte Corona-Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden gemeldet. Mittlerweile ist auch die Schwelle von 200'000 Todesfällen überschritten worden. Die Spitäler und Krematorien im Land mit rund 1.3 Milliarden Einwohnern sind überlastet. Die Schweizer Studentin Lara Hänny sitzt derzeit in Neu-Delhi fest und berichtet von erschreckenden Szenen.
SRF News: Können Sie die Situation in Neu-Delhi beschreiben, was erleben Sie da derzeit?
Lara Hänny: Ich war jetzt draussen, weil ich fotografisch und filmisch dokumentieren wollte, was hier in Indien gerade passiert. Ich war auch bei den Verbrennungsstätten und diese Bilder machen sprachlos. Ich habe vorher noch nie so etwas erlebt.
Was geht Ihnen dabei am meisten unter die Haut?
Einerseits sehe ich jetzt, wie uns Menschen vom Platz vertreiben wollen, weil sie nicht möchten, dass man nahe am Geschehen ist. So ist es Medienschaffenden zum Beispiel nicht erlaubt, in Spitäler hineinzugehen.
Über 70 Prozent der Spitäler hatten gar keine Sauerstoff-Reserven zur Verfügung.
Andererseits geht es mir nahe, zu sehen, wie die Regierung mit den Menschen in Indien umgeht. Man war nicht auf die Pandemie vorbereitet. Über 70 Prozent der Spitäler hatten gar keine Sauerstoff-Reserven zur Verfügung, um die Covid-19-Patientinnen und -Patienten zu behandeln. Auch die Spitalbetten sind voll.
Was ist denn im Moment für die Menschen in Indien am schwierigsten?
Besonders schlimm ist die Lage für die Angehörigen, die ihre Liebsten verlieren, weil es in Indien nicht ausreichend Ressourcen gibt, um die Covid-Patientinnen und -Patienten zu behandeln. Die indische Regierung hat in der Pandemie versagt. Vor den Krematorien stehen Angehörige und filmen mit dem Handy, während ihre Familienmitglieder zu Hause sind und sich so via Videostream von ihren Liebsten verabschieden müssen.
Sie wollten eigentlich bereits zurück in die Schweiz fliegen. Warum hat das nicht geklappt?
Ich hatte am Montag einen Flug gebucht. Die Situation hat sich aber so dramatisch verschlechtert, dass ich in keinem Spital mehr einen PCR-Test bekommen habe. Einen solchen negativen Corona-Test bräuchte ich allerdings für den Rückflug.
Im Spital habe ich eine Telefonnummer erhalten, auf der ich mich melden konnte, damit Gesundheitspersonal bei mir zu Hause den Test durchführen kommt. Man wartet darauf jedoch drei Tage und auch wenn der Test durchgeführt ist, ist es nicht sicher, dass man innerhalb der notwendigen 72 Stunden das Testergebnis bekommt. Ich konnte daher nicht zurückfliegen.
Das Gespräch führte Angélique Beldner.