Die Massnahmen, die der russische Präsident Wladimir Putin heute zur Eindämmung der Coronakrise bekannt gegeben hat, wirken im Vergleich kaum einschneidend. Während in der Schweiz und anderswo die Bewegungsfreiheit der Menschen für längere Zeit massiv eingeschränkt wird, schickt Putin das Land ab Sonntag einfach für eine Woche in die Ferien.
Die Krise legt Schwächen offen
Auf den ersten Blick könnte man meinen, die Welt stünde Kopf: Liberale Oppositionelle fordern von Putin ein härteres Vorgehen. Doch Russlands Präsident wurde nicht plötzlich zu einem mutigen Verfechter von Freiheitsrechten. Die Coronakrise verstärkt die Stärken und Schwächen eines jeden politischen Systems – auch in Russland. Während sich einige föderalistisch organisierte Staaten wie die Schweiz in Diskussionen um Zuständigkeiten verzettelten, stolpert Russland über Putins Unfähigkeit, eigene Fehler einzugestehen.
Fehler eingestehen ist keine Option
Noch vor wenigen Tagen erklärte der russische Präsident, man habe die Lage unter Kontrolle. In der Denkweise des Kremls ist es keine Option, anzuerkennen, dass die Situation schlimmer sein könnte, als bisher verkündet. Wer Fehler eingesteht, ist in dieser Denkweise ein Schwächling.
In der aktuellen Situation ist dieses Unvermögen doppelt unverständlich. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern hat der Kreml eigentlich frühzeitig reagiert und die Grenzen zu China dicht gemacht. Rasch folgten auch Einreiseverbote für Italiener.
Statistiken sind für die Vorgesetzten
Doch die offiziellen Zahlen zu den Infizierten stimmten zuletzt nicht nur notorische Regimekritiker misstrauisch, sondern auch Wissenschaftsjournalisten, die auf Schwächen der russischen Tests hinwiesen. Doch deren Anfrage bei den Behörden und dem staatlichen Labor wurden ignoriert. In Russland fühlt sich eben keine Behörde der Allgemeinheit verpflichtet. Statistiken werden in erster Linie für die Schubladen von Vorgesetzten produziert.
Putin war heute weder in seiner Rhetorik noch in seinen Massnahmen klar. In Russland sind sich die Menschen Schönfärberei gewohnt – und so werden viele nach Putins Rede insgeheim mit dem Schlimmsten rechnen. Für die Risikogruppen ist das ein schwacher Trost. Sie bräuchten spätestens jetzt einen mutigen Präsidenten.