Der 18-jährige Alistair Fraser-Urquhart gehört zu den 90 Freiwilligen, die sich für die Wissenschaft mit Covid-19 infizieren lassen. Dafür wird er umgerechnet 5500 Franken erhalten, das entspricht in Grossbritannien etwa zwei Monatslöhnen. Doch er sagt, Geld sei nicht die Motivation: «Diese Tests können sehr viel Gutes bewirken. Es gibt ein Risiko für meine Gesundheit, aber das ist klein.»
Zimmer mit Playstation
Geplant ist, die ersten Probanden ab März in einem Londoner Spital in Einzelzimmern mit Bad, TV und Playstation zu isolieren. Sie werden infiziert und dann während zwei Wochen genau überwacht. Teilnehmen können nur gesunde Menschen zwischen 18 und 30 Jahren. Professor Andrew Catchpole von «hVivo» wird zusammen mit dem Imperial College London und der britischen Impf-Taskforce die Studie leiten.
Die Ansteckungszahlen sinken stark. Deshalb ist es wichtig, dass wir künftig Freiwillige haben, damit die Forschung weitergehen kann.
Er erklärt: «In einem ersten Schritt wollen wir neue Erkenntnisse über das Virus gewinnen, beispielsweise wie das Virus sich bei jenen entwickelt, die keine Symptome zeigen, also bei den asymptomatischen Fällen.» In späteren Studien soll beispielsweise auch die Wirksamkeit von Impfstoffen genauer erforscht werden.
Es fehlen natürlich Infizierte
Es werde künftig an Personen fehlen, die sich natürlich anstecken, deshalb seien die Studien wichtig, ist Professor Peter Openshaw, der Direktor des britischen Rats für medizinische Forschung, überzeugt: «Die Ansteckungszahlen sinken stark. Deshalb ist es wichtig, dass wir künftig Freiwillige haben, damit die Forschung weitergehen kann.»
In der Schweiz wäre eine solche Studie kaum vorstellbar, der Schutz des Einzelnen wird viel höher eingestuft. Im Bundesgesetz über die Forschung am Menschen heisst es: «Die Rechte, die Sicherheit und das Wohl der Prüfungsteilnehmer geniessen oberste Priorität und haben Vorrang vor den Interessen der Wissenschaft und Gesellschaft.»
Balance zwischen Risiko und Nutzen
Diese ethische Debatte ist in Grossbritannien eine andere. Der britische Professor Terence Stephenson war Teil des Ethik-Gremiums, die die jetzige Studie abgesegnet hat: «Wir suchen eine Balance zwischen dem Risiko des Einzelnen und dem Nutzen für die Gesellschaft.»
Die Forschung von heute ist die Behandlung von morgen.
Wichtig sei, dass der Mensch sehr genau aufgeklärt wird, und dass das Risiko sehr minim ist. «Deshalb nehmen wir nur junge Menschen. Bei ihnen ist das Risiko klein und wir klären sie sehr genau auf. Doch wir sind uns bewusst, dass das Risiko nicht null ist.» Der Nutzen, so ist Stephenson überzeugt, sei gross, die Studie könnte viele Leben retten. Denn: «Die Forschung von heute ist die Behandlung von morgen.»
«Ich will das Risiko auf mich nehmen»
Zurück zum 18-jährigen Alistair. Er könnte beispielsweise an den Folgen von Langzeit-Covid leiden: «Das ist mir bewusst, und ich habe sehr genau darüber nachgedacht.»
Ich will das Risiko auf mich nehmen, damit es künftig schnellere und bessere Impfstoffe gibt.
Sollten sich dadurch Arbeitsausfälle und grosse Folgekosten ergeben, werde die britische Regierung finanziell einspringen, erklärt Peter Openshaw. Alistair selber sagt: «Für mich überwiegen die Vorteile, nicht die Risiken. Ich will das Risiko auf mich nehmen, damit es künftig schnellere und bessere Impfstoffe gibt.»