Auf dem Papier sieht es ganz gut aus: Die Resolution 2222 des UNO-Sicherheitsrates sagt alles Wichtige und Richtige. Dass unabhängige Berichterstattung gerade in Konfliktgebieten entscheidend ist, dass sie ein Frühwarnsystem darstellt, wenn Kriegs- oder Menschenrechtsverbrechen und Völkermorde begangen werden. Dass Medienschaffende geschützt und jene, die sie angreifen, bestraft werden müssen.
«Nie dürfen Journalisten zu Zielscheiben werden», sagte die irische UNO-Botschafterin Geraldine Byrne Nason. Das neutrale Irland hatte die Spezialdebatte im UNO-Sicherheitsrat angesetzt, um das Problem ins Rampenlicht zu rücken.
Und das Problem spitze sich weiter zu, betonte die UNO-Berichterstatterin für Meinungsfreiheit, Irene Khan: «Vielerorts gibt es überhaupt keine freien Medien. Und wo es sie gibt, stehen sie unter wachsendem Druck, selbst in liberalen Demokratien.»
Vielerorts gibt es überhaupt keine freien Medien. Und wo es sie gibt, stehen sie unter wachsendem Druck, selbst in liberalen Demokratien.
Wo Journalistinnen und Journalisten nach der Wahrheit suchen, wollten starke Kräfte sie zum Schweigen bringen, klagte auch Jon Williams von der Medienfreiheitsorganisation «Committee to Protect Journalists». «Mord ist die ultimative Form der Zensur», sagte er.
Zynismus bei Vertreterin Indiens
Die Debatte im Sicherheitsrat verlief animiert. Bloss herrschte nicht mal oberflächlich Konsens. Jedes Land interpretiert die verbindliche UNO-Resolution nach seinem Gusto. Jedes Land lobt sich selber als Verteidiger der Medienfreiheit. Doch alle wollen darunter etwas anderes verstehen.
Die Delegierte Indiens – immerhin eine Demokratie – forderte: «Medienschaffende müssen sich an die Gesetze der Länder halten, in denen sie tätig sind.» Das ist zynisch, zumal in den meisten Ländern die Gesetze die Medienfreiheit bestenfalls im Prinzip hochhalten, im Konkreten jedoch massiv einschränken.
Entsprechend klangen manche Votanten aus autokratisch regierten Ländern geradezu höhnisch – und selbst jene von Diplomaten aus Demokratien mitunter hohl.
China gegen «illegale Aktivitäten»
Ganz offen gegen kritischen Journalismus traten die Vertreter Russlands und Chinas auf. Die westlichen Länder sollten vor ihrer eigenen Haustür kehren, statt sie zu kritisieren, so der Tenor.
Chinas Delegationsleiter bezeichnete Kritik kurzerhand als Desinformation. Und meinte ganz unumwunden: «China toleriert keine illegalen Aktivitäten.» Was es bedeutet, wenn eben gerade freier Journalismus als illegal gilt, erleben chinesische Berichterstatter und neuerdings auch jene in Hongkong tagtäglich.
Die UNO-Resolution 2222 gilt bereits seit 2015. Keine der Vetomächte widersetzte sich damals. Doch wie so oft in der UNO unterzeichnen manche Staaten bedenken- und gewissenlos Vereinbarungen und legen sie dann nach ihrem Gutdünken aus. Oder sie planen zum Vornherein, sie anschliessend zu ignorieren.
Irlands Botschafterin bilanzierte daher am Sitzungsende einigermassen ernüchtert: «Der völkerrechtliche Rahmen existiert, die Resolution ist da. Was es nun braucht, ist deren Durchsetzung und den politischen Willen.» Doch genau damit steht es im Argen. Die Sicherheitsratsdebatte machte das erst recht deutlich.