Seit US-Präsident Donald Trump den Abzug von US-Truppen aus Syrien angekündigt und die EU aufgefordert hat, «ihre» IS-Kämpfer zurückzuholen, sind europäische Dschihadisten zum Politikum geworden. Denn es geht nicht nur um rund 800 westliche IS-Extremisten, sondern auch um deren etwa 2000 Frauen und Kinder.
In Frankreich, aus dem die meisten europäischen Dschihadisten stammen, ist darüber eine heftige Kontroverse ausgebrochen.
Gestrandete Kinder
Saleh, Obeïda und Amar sind im überfüllten Camp Al-Hol im Nordosten von Syrien gestrandet. Es sind die drei Enkel von Lydie Maninchedda aus Lille. Ihre Tochter Julie war 2013 in die Fänge der Islamisten geraten, hatte den radikalisierten Deutschen Martin Lemke geheiratet.
«Als wir sie das erste Mal in Leipzig besucht haben und sie ganz in Schwarz gehüllt, mit Niqab und Handschuhen gesehen haben, war das ein Schock», sagt die 60-jährige Lydie Maninchedda.
Schwiegersohn Lemke setzte sich 2014 mit Julie und Baby nach Syrien ab, wo die junge Französin zwei weitere Buben zur Welt brachte. Letztes Jahr gelang es ihr, den gewalttätigen, inzwischen zu einem Kadermitglied des gefürchteten Amnijat, des IS-Geheimdienstes, aufgestiegenen Ehemann zu verlassen.
Grossmutter kämpft um Enkel
Grossmutter Lydie Maninchedda schöpfte Hoffnung, ihre Tochter wiederzusehen. Doch im Januar starb Julie unter noch ungeklärten Umständen im syrischen Baghouz. Martin Lemke ergab sich und sitzt in einem kurdischen Gefängnis. Ihre drei Kinder, fünf, drei und ein Jahr alt, blieben allein zurück.
«Wir haben sie lokalisiert, wir haben Kontakt mit den Frauen, die sie betreuen», erklärt Lydie Maninchedda. Doch von offizieller Seite geschehe nichts.
In Frankreich wartet auf jeden Dschihad-Rückkehrer – egal ob Frau oder Mann – das Gefängnis. Kinder sollen ausnahmslos in Pflegefamilien deradikalisiert und resozialisiert werden. Was Grossmutter Maninchedda nachvollziehen kann. Aber dann wolle sie sich um sie kümmern können. «Ohne diese Kleinen, die alles sind, was mir von meiner Tochter geblieben ist, weiss ich nicht, wie ich mein Leben weiterleben soll.»
«Man lässt Kinder in den Lagern vermodern»
Nach elf islamistischen Anschlägen in sechs Jahren mit insgesamt 245 Todesopfern ist die Rückkehr von IS-Mitgliedern in Frankreich äusserst unpopulär. Laut einer Umfrage der Zeitung «Figaro» sind 82 Prozent der Franzosen gegen die Repatriierung von Dschihadisten mit französischem Pass. 70 Prozent sehen auch deren Kinder als Sicherheitsrisiko und wollen ihnen die Heimkehr verweigern.
Präsident Emmanuel Macron hatte erst angekündigt, jeden Fall individuell regeln zu wollen. Doch vor zwei Wochen überantwortete er ein erstes Dutzend französischer IS-Kämpfer der irakischen Justiz. Ihnen soll vor Ort der Prozess gemacht werden.
Was Minderjährige angeht, so ist eigentlich klar, dass Frankreich nicht darum herumkommt, sie zurückzuholen. Doch geschehen ist bislang nichts. «Es sind französische Kinder, die nichts dafür können!», enerviert sich Marie Dosé. Die Strafverteidigerin vertritt mehrere Familien von Dschihad-Reisenden.
«Man lässt die Kinder absichtlich in den Lagern vermodern, statt sie heimzuholen und zu retten. Man macht Kinder, die nicht mal fünf Jahre alt sind, für das Tun ihrer Eltern verantwortlich. Das ist schändlich!»