Wie steht es eigentlich um die Demokratie? Dieser Frage geht das «Echo der Zeit» in einer Sommerserie nach. Bezüglich Demokratie ist in Afrika in letzter Zeit viel Bemerkenswertes geschehen, sagt Anna Lemmenmeier, Afrika-Korrespondentin von Radio SRF.
SRF News: Stimmt der Eindruck, dass die Demokratie in vielen afrikanischen Ländern auf dem Vormarsch ist?
Anna Lemmenmeier: Das kommt drauf an, wohin man schaut. Aber aussergewöhnlich war in den letzten zwei Jahren, dass viele Langzeit-Herrscher Reformen angestossen haben, etwa im Sudan, in Simbabwe, Angola, Gambia oder Äthiopien. Das waren alles Regimes, die während 30 Jahren oder mehr das Sagen hatten. Alle diese Diktaturen existieren nun nicht mehr in dieser Form.
Im Sudan haben die Menschen auf der Strasse den Diktator zu Fall gebracht.
Welches Land hat Sie in dieser Hinsicht am meisten beeindruckt?
Eindeutig der Sudan: Hier haben die Menschen auf der Strasse den Diktator zu Fall gebracht. Die Leute haben Demokratie eingefordert, diskutiert oder es haben Podien stattgefunden. Das war wirklich gelebte Demokratie.
Gibt es andere Beispiele von Demokratisierung?
Bemerkenswert ist Äthiopien, weil dort der Reformkurs von innen kommt. Wie vor 30 Jahren ist dort die selbe Parteien-Koalition an der Macht wie vor 30 Jahren. Aber Premierminister Abiy Ahmed Ali scheint das Land wirklich demokratisieren zu wollen. Das ist eine grosse Herausforderung, denn Äthiopien ist ein Vielvölkerstaat und die vielen Gruppierungen waren 30 Jahre lang unterdrückt und wollen nun mitreden.
In Simbabwe gab nur vor der Wahl kurze Zeit der Hoffnung. Es hat sich aber nichts geändert.
In Simbabwe hingegen sieht es nicht nach einem guten Ende aus beim Demokratisierungsprozess.
Nein überhaupt nicht. Es gab erstmals Wahlen ohne Langzeit-Präsident Robert Mugabe auf dem Wahlzettel. Die Menschen äusserten plötzlich ihre Meinung und für wen sie stimmen würden. Es gab grosse Hoffnung im Land, dass sich nun etwas ändern könnte. Aber dann erschoss das Militär am Wahltag Menschen und auf einen Schlag war klar, dass sich nichts geändert hatte. Es gab nur diese kurze Zeit der Hoffnung. Es hat sich aber nichts geändert, das Regime ist dasselbe – einfach mit einem anderen Kopf.
Wahlen allein sind vielleicht ein Indiz für Demokratie. Aber mit Blick auf Afrika, gibt es noch andere Entwicklungen für mehr Demokratie?
Wahlen geben schon am meisten zu reden, weil in allen afrikanischen Ländern ausser Eritrea Wahlen durchgeführt werden, wenn auch Präsidenten mit absurden Resultaten, etwa 98 Prozent der Stimmen, wiedergewählt werden. Es gibt relativ freie Wahlen – aber die meisten sind es nicht. Es werden Resultate gefälscht oder Wähler eingeschüchtert. Insofern ist es fraglich, ob Wahlen als Indikator für Demokratie gelten dürfen.
Mehr als zwei Drittel finden in Afrika, Demokratie sei die beste Regierungsform.
Was halten die Menschen in Afrika von der Demokratie als Staatsform?
Laut dem Afrobarometer, dem wichtigsten Meinungsforschungsinstitut auf dem Kontinent, finden mehr als zwei Drittel der Afrikanerinnen und Afrikaner, Demokratie sei die beste Regierungsform. Aber weniger als die Hälfte hat das Gefühl, sie könne von der Demokratie profitieren. Das ist das Problem in vielen Ländern Afrikas: Man führt zwar Wahlen durch oder ist keine Diktatur im engeren Sinne. Aber die Ungleichheit ist gross und nur wenige haben etwas zu sagen.
Ist Demokratie nur ein importiertes Konzept aus Europa?
Es gibt in vielen afrikanischen Kulturen demokratische Formen oder ausgeklügelte Systeme der Kontrolle, zum Beispiel in Dörfern der Ältestenrat, der den Häuptling kontrolliert. Und vielerorts werden Entscheide im Konsens bestimmt. Demokratische Prinzipien sind in Afrika also definitiv nicht einfach importiert.
Das Gespräch führte Beat Soltermann.