Blutige Proteste nach der Wahl in Simbabwe: Mindestens drei Menschen starben durch Kugeln, die von Soldaten in die Menge abgefeuert wurden. Der amtierende Übergangspräsident Emmerson Mnangagwa macht die Opposition für die Toten verantwortlich – das sei lächerlich, sagt SRF-Korrespondentin Anna Lemmenmeier.
SRF News: Was haben Sie von den Protesten mitbekommen?
Anna Lemmenmeier: Ich war an der Protestveranstaltung und habe sie als ziemlich friedlich erlebt. Zwar waren die Menschen wütend, sie zündeten Wahlplakate an und warfen Abfallkübel um. Doch nach dem, was ich und andere ausländische Journalisten beobachten konnten, war es unverhältnismässig, die Armee gegen die Demonstranten einzusetzen und auf sie zu schiessen.
Die Wahlen Anfang Woche sind eigentlich friedlich abgelaufen – warum ist die Stimmung jetzt gekippt?
Die Stimmung wurde aufgeheizt, weil die Bekanntgabe der Wahlresultate so lange dauert – sie liegen noch immer nicht vor. Bislang sind erst die Resultate der Parlamentswahlen bekannt. Demnach hat die Regierungspartei Zanu-PF einen überwältigenden Sieg errungen. Die Opposition behauptet aber ihrerseits, die Wahlen gewonnen zu haben. Das lange Warten auf die Resultate erklärt sie damit, dass sie manipuliert würden.
Es ist kein Wunder, dass Betrugsvorwürfe laut werden – Simbabwe kennt nichts anderes.
Die Opposition reklamiert also Wahlbetrug. Was ist da dran?
Simbabwe hat eine Geschichte mit Wahlbetrug. Während der 37 Jahre Mugabe-Herrschaft kannte man nichts anderes. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass dieser Vorwurf jetzt laut wird. Auch die internationalen Wahlbeobachter – erstmals seit 16 Jahren waren solche zu einer Wahl in Simbabwe zugelassen – stellten fest, dass die Wahl nicht fair abgelaufen sei. Die Beobachter der EU und der USA sprachen von Wählereinschüchterung vor und während der Wahl, von einer intransparenten Wahlkommission oder davon, dass die Staatsmedien klar für die Regierungspartei Stellung bezogen hätten.
Übergangspräsident Mnangagwa macht die Opposition für die Toten verantwortlich. Zu Recht?
Auch wenn die Opposition durch ihr vorzeitiges Verkünden eines angeblichen Wahlsiegs die Stimmung vielleicht aufgeheizt hat, so ist es doch der Übergangspräsident, der die Macht hat, das Militär loszuschicken. Die Beschuldigung der Opposition seitens Mnangagwas ist deshalb lächerlich. Zugleich startete am Abend die Propagandamaschine der Regierung im Staatsfernsehen. Innenminister und Polizei gaben dort explizit der Opposition die Schuld an den Ausschreitungen. Sie drohten ihr: Wenn ihr so weitermacht, dann machen wir auch so weiter.
Versucht die Führung der Opposition jetzt, ihre Leute eher zu beruhigen oder giesst sie noch Öl ins Feuer?
Die Opposition verurteilt die Gewaltaktion durch das Militär, heizt die Situation bislang aber nicht weiter an. Ein Vertreter der Opposition stellte an einer Medienkonferenz lediglich die Frage, ob man im Krieg sei; ob jetzt die Bürger die Feinde des Staates seien – schliesslich würden Soldaten gegen sie eingesetzt, die für den Krieg ausgebildet worden seien.
Mit der Gewalteskalation hat Mnangagwa die Chance verspielt zu zeigen, dass sich die Situation in Simbabwe geändert hat.
Es seien die ersten freien Wahlen nach Langzeitherrscher Mugabe, sagte die Übergangsregierung vor dem Urnengang. Muss da spätestens jetzt ein Fragezeichen dahinter gesetzt werden?
Nicht erst jetzt. Die Wahlen liefen schon im Vorfeld nicht frei ab. Mit der Gewalteskalation hat die Regierung von Mnangagwa jetzt aber die Chance verspielt, dem Westen zu zeigen, dass sich die Situation in Simbabwe geändert hat. Genau das hatte der Übergangspräsident aber präsentieren wollen: dass neue Zeiten im Land angebrochen seien. Damit wolle Mnangagwa insbesondere Investoren anlocken, denn das Land braucht dringend Geld.
Es ist gut möglich, dass die Leute aus Angst nun nicht mehr auf die Strasse gehen.
Ist mit weiteren Protesten zu rechnen, wenn die definitiven Wahlresultate bekannt gegeben werden?
Das ist die grosse Frage. Die Regierung hat mit ihrer Machtdemonstration sehr klar gezeigt, wozu sie fähig ist. Das war schon vor zehn Jahren in einer sehr ähnlichen Situation der Fall. Der damalige Oppositionsführer Morgan Tsvangirai hatte die Wahl gewonnen, doch das Militär griff ein. Rund 150 Menschen wurden getötet, Tausende verprügelt, gefoltert oder vergewaltigt. Die Erinnerung an diese Vorkommnisse stecken den Simbabwern immer noch in den Knochen. Wenn die Armee schon auf relativ friedliche Demonstranten schiesst, ist es gut möglich, dass die Leute aus Angst nun nicht mehr auf die Strasse gehen.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.