«Glaubst Du an Gott?», fragt Albert Mkandla. Er steht mitten im simbabwischen Busch. Zu seinen Füssen liegen drei Massengräber. Dass er selbst nicht dort drin liege, habe er Gott zu verdanken.
Über 30 Jahre ist es her, dass Mkandla hier tagelang festsass. Mit Hunderten anderen Ndebele – Angehörigen der zweitgrössten Volksgruppe in Simbabwe. Soldaten hielten sie gefangen. «Die Soldaten bezeichneten uns als Dissidenten. Sie sagten, alle Ndebele seien Dissidenten», so Mkandla. Das bedeutete oft das Todesurteil.
Die Bezeichnung «Dissidenten» kam ursprünglich von Ex-Präsident Robert Mugabe. Nach der Unabhängigkeit 1980 mussten die verschiedenen Unabhängigkeitskämpfer in ein und dieselbe Armee integriert werden. Dabei standen sich zwei Parteien gegenüber: jene von Robert Mugabe und die Zimbabwe African People's Union ZAPU, welche vor allem im Matabeleland, das heisst, vor allem bei den Ndebele, verankert war.
Mugabes Spezialtruppe gegen Ndebele
Mugabe wollte sich seine Macht sichern und setzte dafür eine in Nordkorea trainierte Spezialeinheit ein – die «Gukurahundi»-Soldaten. Sie seien von Haus zu Haus gegangen, hätten Leute mitgenommen und sie gefoltert, sagt Mkandla. «Manche verschwanden für immer. Immer, wenn wir einen Mann mit einem rotem Beret und einem Gewehr gesehen haben, wussten wir: Das bedeutet den Tod», erinnert sich der heute 70-Jährige.
Die roten Berets von Mugabes Spezialeinheit waren berüchtigt – wie auch der von Mugabe zugetragene Name «Gukurahundi». Das heisst übersetzt «Der frühe Regen spült die Spreu weg vor dem Frühlingsregen». Die Spreu waren die Ndebele. Und die Spezialeinheit war effektiv. Folter, Vergewaltigung, Massaker. Selbst die Bäuche von schwangeren Frauen schlitzten sie auf. Bis zu 20'000 Ndebele sollen damals umgebracht worden sein. So genau weiss das niemand. «Gukurahundi» wurde nie offiziell aufgearbeitet.
Trauer, Angst und grosse Wut
Eine, die sich seit Jahrzehnten für die Aufarbeitung dieser Gräueltaten einsetzt, ist Shari Eppel. Auch sie wuchs in Matabeleland auf und wohnt noch heute dort, in der Provinz-Hauptstadt Bulawayo. Die Menschenrechtsaktivistin hat ihr Leben der Aufarbeitung von Gukurahundi gewidmet.
Dass die Horrortaten noch immer verschwiegen werden, habe Auswirkungen bis heute: Die Generation, welche «Gukurahundi» nicht selbst erlebt habe, trage die Gefühle weiter. Doch während in der Generation der Opfer noch immer Trauer und Angst vorherrsche, sei es in der Generation der 30-jährigen nun Wut. «Grosse Wut», betont Eppel.
‹Gukurahundi› war ein Moment des Wahnsinns.
Das führt so weit, dass Sezessionbestrebungen in Matabeleland immer lauter werden. Doch nach wie vor schweigt die simbabwische Regierung. Langzeitherrscher Mugabe hatte «Gukurahundi» einen «Moment des Wahnsinns» genannt.
Sein Nachfolger, der amtierende Präsident Emmerson Mnangagwa, der die Dissidenten einst als «Kakerlaken» bezeichnete, die man mit DDT bekämpfen müsse, hat nun eine nationale Friedens- und Versöhnungskommission ins Leben gerufen.
Lieber Aufarbeitung als Entschuldigung
Doch Verantwortung für die Gräueltaten übernommen oder sich im Namen des Staates entschuldigt hat Mnangagwa nicht. Menschenrechtsaktivistin Eppel glaubt auch nicht, dass es je dazu kommen wird. «Aber vielleicht übernimmt er im Namen der Regierung die Verantwortung dafür, dass ‹Gukurahundi› geschehen ist und so etwas nie mehr passiert», hofft sie immerhin.
Es gebe auch Ndebele, die keine Entschuldigung wollten. Denn in Afrika muss eine Entschuldigung akzeptiert werden und dann ist die Sache abgeschlossen. Diese Ndebele wollten die Wahrheit darüber erfahren, was damals geschah. Der 70-jährige Mkandla sieht das anders: «Die Trauer in uns sitzt immer noch tief.» Seine Frau sei seither verkrüppelt, sein Bein wurde damals gebrochen und seine Hüfte schmerze noch heute, zudem habe er damals sein linkes Auge verloren.
Und dann sage die Regierung bloss: «Sorry, das war ein Moment des Wahnsinns? Wer steckt hinter dem Wahnsinnsmoment? Sie müssen sich entschuldigen», verlangt Mkandla ultimativ. Denn nur wer zurückblicken könne, könne auch nach vorne schauen.