Sie wollten sich für ein selbstbestimmtes Hongkong einsetzen. Für mehr Demokratie in der chinesischen Sonderverwaltungszone. Dafür wollten sie möglichst viele Sitze im Hongkonger Legislativrat gewinnen.
Doch statt im Parlament landen sie nun im Gefängnis. Im Fall der 47 Demokratieaktivistinnen und -aktivisten wurden heute die ersten Urteile gefällt: Zwei sind unschuldig, 14 schuldig, der Rest hat bereits auf schuldig plädiert.
Gegen Sicherheitsgesetz verstossen
Im Januar 2021 wurden die 47 Demokratieaktivistinnen und -aktivisten verhaftet und in der Folge angeklagt. Der Vorwurf: Verschwörung und versuchter Umsturz der Regierung.
Vergehen, die im damals neuen nationalen Sicherheitsgesetz aufgelistet sind. Ein Gesetz, das Peking der Sonderverwaltungszone im Jahr vor den Verhaftungen auferlegt hatte.
Pekings Einfluss wächst
Heute, über drei Jahre nach den Verhaftungen, kommen also die Urteile. Und Hongkong könnte kaum gegenteiliger aussehen, als es sich die Demokratieaktivistinnen und -aktivisten vorgestellt haben. Das Parlament, das sie erobern wollten, ist heute ausschliesslich mit Peking-nahen Abgeordneten besetzt. Die Regeln wurden so geändert, dass nur wer den Segen Pekings hat, überhaupt gewählt werden kann.
Die Demokratiebewegung wollte sich auf den Willen der Stimmbevölkerung stützen und veranstaltete deshalb im Herbst 2020 eine Vorwahl, um die besten Kandidaten für die anstehenden Parlamentswahlen zu küren. Das Ziel: So viele Sitze gewinnen, dass das Pro-Demokratie-Lager etwa das Budget der Peking-nahen Hongkonger Regierung hätte blockieren können im Parlament. Und damit allenfalls auch den Rücktritt der Regierung hätte forcieren können.
«Unterwanderung der Regierung»
Genau dies sei der erklärte Plan der Angeklagten gewesen, sagten heute die Richter. Und das sei als Unterwanderung der Regierung auszulegen. Deshalb die Schuldsprüche. Die genauen Strafmasse für die Verurteilten – es kann bis zu lebenslänglich gehen – folgen noch.
Der Entscheid zeigt: Nicht nur das Parlament und die Regierung, sondern offenbar auch die Gerichte in Hongkong agieren inzwischen ganz im Sinne Pekings. Das autoritäre Peking sagt in Hongkong, wo es langgeht. Für die Aktivistinnen und Aktivisten ist das bedrohend, für NGOs und westliche Vertreter alarmierend und für die internationalen Konzerne in der Wirtschaftsmetropole herausfordernd.
Weitere Gerichtsurteile folgen
Der Fall der 47 Demokratieaktivistinnen und -aktivisten ist zwar nicht der einzige, aber der grösste, bei dem die Anklage auf dem nationalen Sicherheitsgesetz basiert. Mit dem heutigen Entscheid werde die politische Opposition in Hongkong ausgelöscht, sagen deshalb ehemalige Mitstreiter der 47, die inzwischen im Ausland leben.
Die Peking-treue Hongkonger Regierung sieht das offenbar anders. Erst im März hat sie im Eiltempo ein weiteres Sicherheitsgesetz für die Sonderverwaltungszone durchs Parlament gebracht. Gerade in den letzten Tagen gab es die ersten Verhaftungen in Hongkong wegen mutmasslicher Verstösse dagegen.