Heute feiert Gerhard Schröder seinen 80. Geburtstag. Dieser Tage ist der einst respektierte Politiker eine höchst umstrittene Figur. Im Besonderen wegen seiner prorussischen Haltung und seiner Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel fällt ein zwiespältiges Urteil über seinen Parteikollegen. «Wenn sein Verhältnis zu Russland ein selbstkritisches gewesen wäre, wäre er im Rückblick ein wirklich grosser Kanzler gewesen», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Und auch die aktuelle SPD-Spitze um Kanzler Olaf Scholz distanziert sich von Schröder. Doch seine Politik prägt die Partei bis heute, wie Reinhard Bingener ausführt. Der deutsche Polit-Journalist hat letztes Jahr das Buch «Die Moskau-Connection» veröffentlicht, das die Russland-Verstrickungen der deutschen Sozialdemokratie durchleuchtet.
Die SPD und ihre «Friedenskanzler»
Bis heute hört Bingener ein Echo der Schröder-Jahre in der SPD heraus. So preist die Partei den amtierenden Kanzler Scholz gerne als besonnenen Staatsmann an, der den weltpolitischen Wirren mit Ruhe und Ratio begegnet. «Auch Schröder wurde damals als Krisenkanzler inszeniert.»
Die Schlagworte damals: «Die ruhige Hand» des «Friedenskanzlers» der Jahre 1998 bis 2005, die aussenpolitisch von Amerikas «Krieg gegen den Terror» geprägt waren. «Solidarität Ja – Abenteuer Nein», sagte Schröder 2003 an die Adresse der USA, die auf eine deutsche Beteiligung am Krieg im Irak drängten.
«Und heute wird die Zurückhaltung von Scholz bei Waffenlieferungen an die Ukraine damit begründet, dass er so den Frieden bewahre», sagt Bingener. Diese militärische Zurückhaltung – auch gegenüber Moskau – sei bereits prägend für die Schröder-Jahre gewesen. «Das gehörte zu seinem Standardrepertoire.»
In ihrer Ostpolitik habe sich die SPD zwar korrigiert, sagt der FAZ-Journalist. «Das war auch unabdingbar in Anbetracht dessen, wie sich die russische Politik verändert hat.» Bei näherer Betrachtung sei der Bruch mit Moskau aber auch nicht ganz so klar, wie es die Partei gerne behaupte.
Man kann sich von der Person Schröder distanzieren. Aber er stand auch für etwas, das tiefer liegt.
Schröders Erbe wirkte weit über seine Kanzlerschaft auf die SPD ein. Lange Jahre war die Partei von seinen «Schülern» geprägt, wie sie Bingener nennt. Allen voran von Frank-Walter Steinmeier, dem langjährigen Aussenminister der Merkel-Ära, der heute als Bundespräsident amtet.
«Man kann sich von der Person Schröder distanzieren», sagt Bingener. «Aber er stand auch für etwas, das tiefer liegt.» Der Journalist blickt weit in die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie zurück, bis zu den marxistisch inspirierten Parteiströmungen der 1960er- und 70er-Jahre, die anti-amerikanische und moskaufreundliche Positionen vertraten. «Diese Kohorte ist nach wie vor in allen Gliederungen der Partei stark vertreten.»
Signale der Schwäche Richtung Moskau
Dazu komme der «zentrale Mythos der deutschen Nachkriegs-SPD»: nämlich die Entspannungspolitik unter Bundeskanzler Willy Brandt. «Dieser Mythos ist der Partei sehr wichtig und sie kann nur sehr schwer davon ablassen.»
Dieses geistige Erbe spiele auch in die Russland-Politik der heutigen, SPD-geführten Regierung hinein, schliesst Bingener – auch wenn Deutschland viel leiste, um die Ukraine zu unterstützen: «Wir senden fortwährend Signale der Angst und Schwäche Richtung Moskau. Ich bin überzeugt, dass Putin nur eine Sprache der Stärke versteht.»