Brasov – zu deutsch Kronstadt – im rumänischen Siebenbürgen ist dank seiner hübschen mittelalterlichen Altstadt ein Touristenmagnet. Hier war der 45-jährige Allen Coliban von der liberalen Reformpartei USR Bürgermeister. Vorher sass er im nationalen Parlament.
Eigentlich wollte er gar nie in die Politik, denn seine Generation habe sich von der Politik nicht vertreten gefühlt. Alle Parteien seien derselbe Dreck, so der Tenor.
Hoffnungsvolle erste Amtsjahre
Und dann, als dieser Unmut über die korrupte politische Klasse dem deutschstämmigen Klaus Iohannis 2014 zum Sieg über den ungeliebten Kandidaten der Postkommunisten verhalf, jubelte auch Coliban: «Es ging eigentlich gar nicht um Iohannis, sondern um die politische Klasse, gegen die wir gewonnen hatten.»
Iohannis trat als Garant für Rechtsstaatlichkeit und europäische Werte auf, und gewann mit diesem Versprechen 2019 ein zweites Mal die Wahlen. Doch dann kam der Schock: Iohannis bremste bei den versprochenen Reformen, brach mit der Koalition und tat sich ausgerechnet mit den Sozialdemokraten von der PSD zusammen – also der Partei, die für Korruption und Rückbau des Rechtsstaats steht und die er zu bekämpfen versprochen hatte.
Eine einzige, grosse Enttäuschung
Die letzten zwei Jahre dann seien der Wahnsinn gewesen, sagt Coliban: Die Luxusreisen des Präsidenten und die Art, wie er die Kosten dafür zu verschleiern versucht habe. «Das zeigt, was Macht aus einem Menschen machen kann.»
Iohannis hat ein System gefördert, das die Macht der Justiz in der Hand einiger weniger Personen konzentriert.
Im gigantischen Parlamentsgebäude in Bukarest, dem früheren sozialistischen «Palast des Volkes», hat der frühere Justizminister und heutige Parlamentarier Stelian Ion sein Büro. Auch er gehört zur USR, sein Kampf gilt der Unabhängigkeit der Justiz.
Ions Entlassung führte vor drei Jahren zum Sturz der Regierung. Auch sein Urteil über den abtretenden Präsidenten fällt vernichtend aus: Iohannis habe die versprochenen Reformen gar nie gewollt. Er habe lediglich eine Rolle gespielt – die Rolle des Gegners des alten Regimes.
Ein System, wie es die alten Kräfte lieben
Erst in der zweiten Amtszeit sei klar geworden, dass sich Iohannis gar nicht für die Unabhängigkeit der Justiz einsetzen wollte. Im Gegenteil: «Nachdem er uns aus der Regierung entfernt hat, hat er ein System gefördert, das die Macht der Justiz in der Hand einiger weniger Personen konzentriert. Wenn Politiker Zugang zu einer dieser Personen haben, können sie alle ihre Probleme loswerden, die sie mit der Justiz haben.»
So ein System habe sich die alte politische Klasse sehnlichst gewünscht – und Iohannis habe es ihnen geschenkt, so Ion. Rückschritt statt Fortschritt sei die Bilanz von zehn Jahren Iohannis. Und so kann sich die Korruption ausbreiten. Die EU, so Ion, sei sich dessen bewusst, lasse aber aus geostrategischen Gründen Nachsicht walten. Man wolle keine Unruhe in einem Land, das von seiner Lage her so wichtig ist in Sachen Ukraine.
Ein Präsident, der jegliche Glaubwürdigkeit verspielt hat, gestärkte alte, korrupte Seilschaften, erstarkte Geheimdienste: Das alles hat mit dazu geführt, dass die erste Runde der Präsidentenwahl zu einer Protestwahl geworden ist, bei der der extrem rechte Nato-Kritiker und Russland-Freund Calin Georgescu überraschend den ersten Platz belegte.