Der Rooibos-Busch wächst nur am Kap von Südafrika. Und dort ausschliesslich im Gebiet der Cederberge, wo einmalige klimatische Bedingungen herrschen: extrem heisse Sommer und sehr kalte Winter.
Der Busch ist Teil des sogenannten Fynbos-Bioms, einer einzigartigen Pflanzenwelt. Lange galt der Kräutertee als Getränk der Armen, war kaum über Südafrikas Grenzen hinaus bekannt. Sein internationaler Siegeszug begann erst mit dem Ende der Apartheid und der Öffnung des Landes.
Von den Kolonialisten gejagt wie Tiere
In den Cederbergen existieren Millionen von Höhlenzeichnungen, viele sind bis zu 20'000 Jahre alt. Sie erzählen von der Geschichte des ersten Volkes in Südafrika – den Khoi und den San, zusammengefasst: Khoi-San. Die weissen Kolonialherren jagten die einstigen Jäger und Sammler wie Tiere und vertrieben viele in die Wüste Kalahari.
Das umfassende Wissen über die Pflanzen und deren Heilkräfte wurde lange weder wahr- noch ernstgenommen. Doch auch, wenn es niemand unter den Khoi-San schriftlich festgehalten hat – es wurde über Generationen weitervermittelt an die Nachfahren des Urvolkes, die von der Apartheid-Regierung als Farbige klassifiziert worden waren und heute vor allem am Kap leben.
Dass die Khoi-San die Ersten waren, die die heilende Wirkung des Rooibos-Busches entdeckten, wurde in der Geschichtsschreibung dieses Tees lange ignoriert. Es war eine Khoikhoi-Frau, die 1920 als erste die Samen des Busches in Ameisennestern fand und es somit ermöglichte, den wild wachsenden Busch kommerziell zu nutzen.
Dennoch wird der steigende Erfolg des Tees vor allem auf die Gedankenblitze einiger Weissen Anfang des 20. Jahrhunderts zurückgeführt. Es sind auch heute die Weissen, die über 80 Prozent der Rooibos-Felder besitzen und am meisten am Geschäft mit dem Tee verdienen.
Rooibos ist heute ein lukratives Geschäft. Pro Jahr werden durchschnittlich 14'000 Tonnen produziert, wovon rund 6500 Tonnen weltweit exportiert werden. Und die Nachfrage steigt vor allem in Europa, Amerika und Japan.
Die Rooibos-Industrie benutzte den Namen der Khoi-San lange auf einem Teil der Verpackungen und weigerte sich gleichzeitig, das überlieferte Wissen des Urvolks anzuerkennen.
Dessen Vertreter forderten von der südafrikanischen Regierung bereits 2010, endlich ihre Rechte festzuhalten. Letztere führte schliesslich eine Studie durch, die zum Schluss kam, dass die Khoi-San in der Tat die Ersten waren, die den Rooibos-Busch benutzten.
Dieses Abkommen legt den Grundstein für weitere ähnliche Abkommen.
Lesle Jansen arbeitet als Anwältin für die südafrikanische NGO «Natural Justice», die sich auf die Rechte der lokalen Volksgruppen spezialisiert und die Khoi-San vertritt. Es gelang ihr nach zähen Verhandlungen, dass sich die Rooibos-Industrie und die Khoi-San auf einen Kompromiss einigten. «Die Khoi-San werden künftig eine Art Steuer für überliefertes Wissen erhalten, in Form von anderthalb Prozent auf jeden Verkauf von einem Rooibos-Produzenten an die verarbeitende Industrie.»
Das sei ein historisches Abkommen, sagt sie weiter, und das erste dieser Art in Südafrika. «Es legt den Grundstein für weitere ähnliche Abkommen», führt die Anwältin aus, «der Rooibos ist momentan kommerziell am erfolgreichsten, doch in Südafrika existieren zahlreiche Pflanzen mit noch unausgeschöpftem Potenzial wie Aloe Vera, der Marula-Baum, um nur einige zu nennen.»
Wir besassen einst das ganze Land, es ist nur fair, wenn wir mehr Land erhalten.
Kenneth Marmann vertritt eine regionale Khoi-San-Gruppe. Er hat an den Verhandlungen mit der Rooibos-Industrie teilgenommen. «Es war ein grosser Moment», erinnert er sich stolz. Die anderthalb Prozent seien zwar nicht viel, doch würden sie einen Anfang bedeuten, um die Khoi-San aus der Misere zu führen.
Das Geld, wenn einmal ausbezahlt, würde in einen vom Khoi-San-Rat kontrollierten Fonds fliessen und zur Finanzierung von Einkommens-fördernden Projekten benutzt. Sein Volk habe alles verloren, vor allem ihr Land. Die beiden Männer neben ihm pflanzten Rooibos auf winzigen Feldern an und würden mit den Einnahmen knapp ihren Lebensunterhalt bestreiten. «Wir besassen einst das ganze Land, es ist nur fair, wenn wir mehr Land erhalten, um Rooibos anzubauen.»
Wer sich auf solche Verhandlungen einlässt, muss wissen, dass am Schluss beide Seiten zufrieden sein müssen.
Der Rooibos-Verband äussert sich ungern zum bahnbrechenden Abkommen – kein Wunder, hat er sich doch jahrelang geweigert, die Khoi-San ernst zu nehmen. Doch Männer wie Martin Bergh, Vorsitzender des Verbands, wissen, dass sie als Weisse mit der Zeit gehen und etwas von ihrem über Jahre scheinbar verbrieften Recht abtreten müssen.
Das Abkommen kommentiert er folgendermassen: «Wer sich auf solche Verhandlungen einlässt, muss wissen, dass am Schluss beide Seiten zufrieden sein müssen. Wir alle leben im gleichen Gebiet, im gleichen Land. Wir wollen ja friedlich zusammenleben und das geht nur, wenn wir gegenseitiges Verständnis aufbringen.» Ob die anderthalb Prozent viel oder weniger sind, will er nicht sagen. Er meint lediglich, dass es letztlich die Frage sei, ob der Konsument bereit sei, anderthalb Prozent mehr zu bezahlen.
Ein Gebot des Anstands
Die Geschichte der Khoi-San ist eine besonders leidvolle in Südafrika, und die meisten ihrer Nachkommen leben in grosser Armut.
Die kleinen Rooibos-Bauern suchen in der kargen Halbwüste der Karoo stundenlang nach Brennholz und haben weder Elektrizität noch fliessendes Wasser. Es ist höchste Zeit, dass ihr Wissen gehört und ernst genommen wird – auch wenn derjenige, der in der Schweiz eine Tasse Rooibos-Tee trinkt, unter Umständen etwas mehr dafür bezahlen muss.