Natürlich kann man sagen, dass es rund läuft, wenn man sich im Kreis dreht. Wenn der Schrittzähler des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz die politischen Schritte abbilden würde, sähe es super aus. Aber eben: viele kleine Schritte, wenige Kilometer geradeaus zum Ziel. Die deutsche Regierung trippelt. Für grosse Schritte fehlt die Beinfreiheit.
Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck sagte es im ZDF so: «Wir versauen es uns permanent selbst. Und das ist natürlich auf Dauer kein Erfolgsgeheimnis.»
Zum Beispiel: Nach tagelangem Hickhack wurde das neue Gesetz zur Kindergrundsicherung nun von allen abgenickt. Grüne gegen FDP, es war furchtbar anzusehen. FDP-Finanzminister Lindner wollte 2 Milliarden Euro für die Kinder lockermachen, die Grünen-Familienministerin forderte 12 Milliarden. Am Ende wurden es 2.4 Milliarden. Von einem Kompromiss kann nicht die Rede sein. Viele ermüdende Schritte, wenige Kilometer.
Maximal ein Minimalkonsens
So geht es mit vielen Projekten dieser Regierung – zugegebenermassen in schwierigsten Zeiten nach Corona und mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine mit all seinen Auswirkungen. Aber es gibt sie, die hochfliegenden Pläne. Und am Schluss wird es oft ein Minimalkonsens, der das Land nicht wirklich weiterbringt. «Gipfel der Schildbürgerei» war letztes Jahr die Begründung des FDP-Verkehrsministers, warum man kein allgemeines Tempolimit einführen könne: Es habe zu wenige 120er-Schilder in den Werkhöfen. Respekt vor der politischen Idee des Regierungspartners, hier den Grünen, sieht anders aus.
Grüne, FDP, SPD: Sie sind zwar eine Koalition – aber kilometerweit auseinander. Nach fast zwei Jahren kann man sagen: Es funktioniert nicht gut. Auch wenn Kanzler Scholz bei der Kabinettsklausur in Meseberg zu einem «guten Miteinander» aufruft.
Laufen im Kreis
Heute klingen die ganzen neuen Gesetze schön: «Wachstumschancengesetz» zum Beispiel. Doch der Streit, der in den nächsten Wochen darüber noch folgen wird, könnte das Bild bestätigen: Man läuft im Kreis.
Deutschland ist eine Konkurrenzdemokratie – anders als die Konkordanzdemokratie in der Schweiz. Wer die Wahl gewinnt, der gibt die Richtung vor. Eigentlich. Doch mit der Zersplitterung der Parteienlandschaft ist es praktisch unmöglich, zwischen Idee A und Idee B zu unterscheiden. Am Schluss müssen Menschen und Parteien zusammen regieren, die gar nicht zusammenpassen und gar nicht in dieselbe Richtung wollen.
Der Kampf um die Macht ist in allen Hinterköpfen. Immer. Denn die nächste Wahl steht schon bevor. Und die Erfahrung zeigt: Juniorpartner in Koalitionen gingen meist als politische Leichen aus der Regierung. Kompromisse zahlen sich fast nie aus.
Geht es nach Meseberg voran?
In Zukunft wird das nicht einfacher. Im Kampf gegen die AfD, die Alternative für Deutschland, die in Teilen rechtsradikal ist, wollen alle anderen Parteien zusammenspannen. Es geht nicht mehr primär um eine Idee, sondern darum, die AfD zu verhindern.
Kommt ein Land so voran? Es bestehen grosse Zweifel. Dabei müsste Deutschland als grösste Wirtschaftsnation Europas Kilometer machen, den Takt und das Tempo vorgeben. Stattdessen herrschen Politfrust, Inflation, Rezession, Bürokratie. Fast drei Viertel der Menschen in Deutschland sind unzufrieden mit der aktuellen Ampelregierung.
Zurück zum Erfolg sind es viele Kilometer. Und grosse Schritte. Nach Meseberg sollte etwas gehen in dieser Regierung. Es wäre gut für dieses tolle Land.