Eigentlich wollte das Bundesamt für Verfassungsschutz in diesen Tagen bekannt geben, dass die gesamte AfD als extremistische Partei beobachtet werden soll. Doch die AfD hat mit Eilanträgen dagegen geklagt. Und so liegt der Fall beim Verwaltungsgericht Köln.
Was würde eine solche Überwachung bedeuten? Alexander Gauland, Ehrenvorsitzender und Co-Vorsitzender der AfD im Bundestag, sagt: «Beamte, Offiziere und Hochschullehrer würden sich möglicherweise – vorsichtig gesagt – eher von uns entfernen, als beizutreten. Ein anderes Problem sehe ich nicht.»
In der Tat, als Beamter kann man kaum Mitglied in einer Partei sein, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Aber gewählt wird geheim und vielleicht könnte eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz eine Trotzreaktion auslösen.
Gauland unterscheidet: «Im Osten ist es eher kontraproduktiv für die Regierenden, weil die Leute das aus der Spätphase der DDR kennen. Sie vergleichen den Verfassungsschutz mit der Stasi.» Entscheidend ist aber der viel bevölkerungsreichere Westen. «Dort gilt der Verfassungsschutz noch immer als wichtig für die Sicherung der Demokratie. Es wird Absetzbewegungen geben.»
Das ist nicht schöngeredet, sondern eine ziemlich objektive Einschätzung, die auch von Experten geteilt wird. Auch «Die Linke» war jahrelang, aber nur in Teilen, Zielobjekt des Verfassungsschutzes, ohne nennenswerten langfristigen politischen Schaden.
Allerdings liege der Fall der AfD anders als bei der Linken, sagt der Politologe Albrecht von Lucke: «Die AfD ist die grösste Oppositionspartei im Bundestag. Das alleine ist schon ein Politikum, wenn eine so grosse Partei vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft wird. Das hat es in der Form noch nicht gegeben.»
Der Verfassungsschutz als neuer gemeinsamer Feind könnte die AfD wieder zusammenrücken lassen. Die Partei sei zwar tief gespalten, sagt von Lucke, aber: «Sie wird ironischerweise ein Stück weit gekittet, quasi überklebt, durch die Beobachtung durch den Verfassungsschutz.»
Dass die Spaltung aber letztlich kaum zu überwinden ist, zeigt auch die sehr klare Distanzierung Gaulands vom Co-Vorsitzenden der Partei, Jörg Meuthen, der sich am letzten Parteitag mit einer Brandrede vom extremistischen Parteiflügel distanziert hatte.
Im Osten vergleichen die Leute den Verfassungsschutz mit der Stasi.
«Das war absolut töricht, damit hat er eine rote Linie überschritten», sagt Gauland, der nicht mehr mit Meuthen spricht. «Mir wurde gesagt, dass er hoffte, mit dieser Rede die Beobachtung zu umgehen. Ich halte das für eine Fehlanalyse.»
Wie sind die Aussichten der AfD für die Bundestagswahl im kommenden Herbst, falls die Partei vom Verfassungsschutz beobachtet wird? Das sei schwer zu beurteilen, vor allem wegen der volatilen Entwicklung in der Pandemie, sagt Gauland.
Von Lucke würde zehn Prozent als Erfolg werten. Denn vor vier Jahren sei die AfD als Protestpartei durch eine Ausnahmesituation, die Flüchtlingskrise zum Erfolg getragen worden.
Stichwort Protest. Wären heftige Ausschreitungen gegen Corona-Massnahmen wie in den Niederlanden auch in Deutschland möglich? Von Lucke glaubt ja. Und Gauland, der Vater der grössten Protestpartei Deutschlands? «Ich glaube, das ist in Deutschland in der Form nicht möglich.»
Denn die Deutschen seien gelassener, geduldiger. Aber das Vertrauen in die Corona-Politik, die alle 14 Tage von der Bundesregierung nachjustiert werde, sei deutlich gesunken.