Es hat sich angedeutet. Dass die CSU als dominante Partei in Bayern nicht im Deutschen Bundestag vertreten sein könnte, war auch für das Bundesverfassungsgericht unvorstellbar. Nach dem Urteil darf die Ampelkoalition den Bundestag auf 630 Sitze begrenzen. Aber die Grundmandatsklausel, die die Ampel auch gleich abschaffen wollte, bleibt.
Damit schafft das Bundesverfassungsgericht de facto eine Lex CSU. Denn diese Partei hätte bei einer Abschaffung der Klausel aus dem Parlament fliegen können. Die CSU tritt nur in Bayern an, gewann dort zwar 2021 fast alle Wahlkreise, nahm bundesweit aber die Fünf-Prozent-Hürde nur knapp.
Aufgeblähter Bundestag
Die Bundestagswahl ist eine personalisierte Verhältniswahl. Mit der ersten Stimme wird eine Person gewählt, mit der zweiten Stimme entscheiden sich die Wählerinnen und Wähler für eine Partei. Für die Sitzverteilung an die Parteien ist die Zweitstimme massgeblich. Doch bislang galt ebenfalls, dass, wer seinen Wahlkreis gewinnt, automatisch im Parlament ist, auch wenn nach Parteienstärke das Kontingent erschöpft ist.
Um der Stimmenverteilung im Bundestag gerecht zu werden, erhielten andere Parteien für diesen Überhang Ausgleichsmandate. Deswegen wurde der Bundestag kontinuierlich aufgebläht und ist mit derzeit 733 Mitgliedern das grösste frei gewählte Parlament der Welt.
Kern der Reform genehmigt
Die Wahlrechtsreform sieht vor, dass künftig jedes Mandat mit dem Zweitstimmenanteil der Partei gedeckt sein muss. Eine Partei erhält also nur noch so viele Sitze im Bundestag, wie ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen.
Wenn sie über die Wahlkreise mehr Sitze gewinnt, bekommen die Wahlkreissieger mit den «schlechtesten» Ergebnissen keinen Platz mehr im Parlament. Wer einen Wahlkreis gewinnt, zieht also nicht automatisch in den Bundestag ein. Diese sogenannte Zweitstimmendeckung und damit den Kern der Reform bestätigt das Bundesverfassungsgericht.
Gesamt- vor Partikularinteressen
Staatsrechtlerinnen und Staatsrechtler forderten schon vor Jahren, die Grösse des Bundestags zu begrenzen, darüber ist sich auch die Politik einig. Dass die Ampel dies jetzt mit ihrer Reform schafft, kann als Erfolg gewertet werden. Die Parteien erhalten etwas mehr Gewicht, die Wahlkreise etwas weniger.
Die CSU witterte in der Streichung der Grundmandatsklausel einen Anschlag auf die Demokratie, eine dreiste Manipulation der Ampel. Nach dem Urteil ist sie Gewinnerin und Verliererin zugleich: Sie verliert, weil ihre Stärke in der Verankerung der Region liegt und diese künftig etwas weniger Gewicht hat.
Doch sie muss nicht um ihren Verbleib im Bundestag fürchten und zu einer Regionalpartei verzwergt werden. Dafür hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem salomonischen Urteil gesorgt.