Mertcan Karakaya will sein Deutschland zurück. «Für mich war es das beste Land der Welt», sagt der 33-Jährige über das Land aus seiner Jugend. Karakaya kam Ende der 1990er Jahre mit seiner Mutter aus der Türkei nach Deutschland. Seitdem habe sich vieles zum Negativen verändert: «Die Sicherheit, die Bildung und der Wohlstand haben sich gefühlt dramatisch verschlechtert.»
Das Gefühl, dass das Land in die falsche Richtung steuert, brachte ihn vor sechs Jahren zur AfD. Heute ist der gelernte Elektriker und IT-System-Kaufmann Schatzmeister im AfD-Landesverband Bremen und lokaler Mitarbeiter von Anja Arndt, einer AfD-Politikerin und Abgeordneten im Europäischen Parlament.
Karakaya ist bei Weitem nicht der Einzige mit Migrationshintergrund in der AfD. Ob Parteifunktionäre oder Wählerinnen: Die AfD kommt bei migrantischen Wahlberechtigten teilweise gut an. Es sind Zuwanderer der zweiten Generation als auch solche, die als Erwachsene nach Deutschland gekommen sind – aus aller Welt.
Auch der Landesverband Bremen sei «international gut vertreten», erzählt Karakaya. Unter den Mitgliedern gebe es türkisch- und kurdischstämmige Menschen, Osteuropäer, Spanier und Mexikaner.
Wir sitzen alle im selben Boot.
Dass eingewanderte Menschen die AfD unterstützen, überrascht Karakaya nicht. Ob mit Migrationshintergrund oder nicht: «Wir haben dieselben Probleme: die Bildung, die finanziellen Probleme, die steigenden Energiepreise. Wir sitzen alle im selben Boot.»
Mertcan Karakaya schreckt auch nicht ab, dass die AfD Stimmung gegen Migranten macht. Im Gegenteil: Die Forderung der Partei nach einer harten Einwanderungspolitik ist für ihn neben der Wirtschaftspolitik ein zentraler Grund, die Partei zu unterstützen.
Knackpunkt Erwerbstätigkeit
So auch für Ahmet Görgülü, der in Deutschland als Kind türkischer Gastarbeiter aufgewachsen ist. Der 49-Jährige ist Vorstandsmitglied im Kreisverband der AfD Bremen-Nord. Görgülü hält die Migrationspolitik der letzten zehn Jahre für gescheitert.
Das ist nicht fair gegenüber uns, die Deutschland aufgebaut haben.
Deutschland habe zu viele Menschen aufgenommen, die Verwaltung sei überfordert. Dass Deutschland abgelehnte Asylbewerber in Deutschland teilweise nicht abschiebe, macht ihn wütend. Und: «Meiner Meinung nach sind viele nach Deutschland gekommen, um nicht zu arbeiten», sagt er.
Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg waren im Jahr 2022 knapp zwei Drittel der befragten Menschen, die 2015 nach Deutschland kamen, erwerbstätig.
Am persönlichen Eindruck von Görgülü ändert das nichts. Als Logistikleiter in der Autobranche habe er mit Geflüchteten schlechte Erfahrungen gemacht. Görgülü bemängelt vermeintliche Fehlanreize im deutschen Sozialsystem. «Das ist nicht fair gegenüber uns, die Deutschland aufgebaut haben.» Er wünscht sich mehr Fleiss und Respekt vor dem Rechtsstaat – so wie früher: «Damals hat mein Papa gesagt: ‹Jawohl Chef, mach ich, jawohl Chef!› Die kannten nichts anderes.»
Es klingt paradox: Eingewanderte Menschen fordern einen harten Kurs in der Einwanderungspolitik. Karakaya erklärt sich das so: «Wir Migranten wissen am besten, was in der Migration schiefläuft.»
Mertcan Karakaya und Ahmet Görgülü glauben daran, dass die AfD es besser machen würde – und wollen noch kurz vor der Bundestagswahl unentschlossene Wählerinnen und Wähler für ihre Partei gewinnen.