An jenem Tag im April kündigten gleich mehrere Länder an, ihre Klimaziele deutlich zu erhöhen. Allen voran die USA, die ihren Treibhausgas-Ausstoss, verglichen mit dem Jahr 2005, bis 2030 um 50 bis 52 Prozent verringern wollten.
Bis ins Jahr 2050 will Biden die USA zu einem klimaneutralen Land umbauen. Die Massnahmen dazu hat der US-Präsident in ein 3.5 Billionen Dollar schweres Gesetzespaket gepackt.
Hätte Biden sein Programm durchsetzen können, hätten die USA in seiner Amtszeit einen Quantensprung bei Wind- und Solarenergie, E-Mobilität und bei der energetischen Gebäudesanierung erleben können. Und Aussicht gehabt auf ein grünes Jobwunder, das Millionen Arbeitsplätze hätte schaffen können.
Der mächtigste Klimapolitiker: Joe Manchin
Doch der Widerstand eines einzigen demokratischen Senators hat das gewaltige Paket schmelzen lassen wie den Schnee in den global erwärmten Appalachen.
Von dort kommt dieser Senator. Joe Manchin ist zurzeit der mächtigste Politiker in den USA und aufs Klima bezogen vermutlich der mächtigste Politiker der Welt. Weil Bidens Demokraten in Senat und Repräsentantenhaus nur über knappste Mehrheiten verfügen, genügt eine einzige Abweichlerstimme, um die Vorhaben des Präsidenten zu kippen.
Und das tat Manchin. Der Senator aus dem Kohle-, Gas- und Öl-Bundesstaat West Virginia setzte im Frühsommer durch, dass schon bei Bidens milliardenschwerem Infrastrukturpaket hauptsächlich klimarelevante Massnahmen gestrichen wurden.
Beim noch teureren Sozial- und Umweltausgaben-Plan sind es erneut die klimarelevanten Punkte, die der Verweigerungshaltung des Senators zum Opfer fallen: Investitionen in erneuerbare Energien, Steuerbevorteilungen für alternative Energien, Steuerbenachteiligungen für fossile Energieträger.
Biden hat vergangene Woche ein neues Paket vorgestellt, das Manchins Vorstellungen nun besser entsprechen soll: Statt 3.5 Billionen US-Dollar sind noch Investitionen von 1.75 Billionen vorgesehen. Das ist immer noch viel. Und Kritiker von Bidens Plänen verweisen darauf, dass in den USA auch ohne diese (künstlichen) Finanzierungshilfen oder Geldstrafen – je nach Energieträger – eine gewaltige Umwälzung in Gang gekommen sei.
Job-Motor neue Technologien
Tatsächlich sind seit 2016, also auch während der Präsidentschaft von Klimaleugner Donald Trump, weit mehr neue Jobs in den jungen Industrien der alternativen Energien entstanden, als in den fossilen Industrien. Diese Jobs entstehen überall in den USA, nicht nur in ein paar besonders rohstoffreichen Staaten. Treiber dieser Umwälzung ist nicht die Politik in Washington. Es sind andere Akteure wie Gliedstaaten, Städte, Interessengemeinschaften und Privatunternehmen.
Die neuen Technologien sind längst ein Job-Motor. Zwar ist nicht jede Politikerin und jeder Politiker in den USA ein Anhänger von erneuerbaren Energien, aber jede und jeder von neuen Arbeitsplätzen. Und so sind die Anreize gross, ein günstiges Umfeld für diese erneuerbaren Energien zu schaffen.
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Und doch bleibt eine Lücke bestehen zwischen den Klimazielen der USA und der Politik der US-Regierung.
Der «Climate Action Tracker» rechnete in einer im März veröffentlichten Studie vor, dass die USA ihren CO₂-Ausstoss nicht um 50 bis 52 Prozent reduzieren müssten, wenn sie ihre Ziele erreichen wollen, sondern um 57 bis 63 Prozent. Ausserdem müssten die USA ihre Hilfen an andere Länder um ein Vielfaches aufstocken, um ihrer historischen Verantwortung als grösster Klimasünder gerecht zu werden.
Beides, so kommt der «Climate Action Tracker» zum Schluss, sei mit der momentanen Politik nicht erreichbar.