Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen.
Verschlüsselt, düster und dröhnend wird im letzten Buch der Bibel die Apokalypse beschrieben. Doch die Offenbarung des Johannes ist auch ein Anfang: Der Untergang allen Irdischen öffnet die Pforte zur Erlösung.
Anfang Woche sprach António Guterres zur Weltgemeinschaft: «Das neue Jahr hat mit einer Welt in Aufruhr begonnen», sagte der Generalsekretär der Vereinten Nationen in New York. Und fügte mit finsterem Grabesgesicht an: «Wir leben in gefährlichen Zeiten. Es kann so nicht weitergehen.»
Die geopolitischen Spannungen seien so hoch wie noch nie im 21. Jahrhundert. Befeuert werden sie von einem amerikanischen Präsidenten, der munter im Pulverfass Nahost zündelt:
Gleich einer modernen Jeanne D’Arc warnt die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg vor einem Weltenbrand:
Das Flammeninferno in Australien, das SRF-Mitarbeiter Urs Wälterlin hautnah erlebt und als «Warten auf die Apokalypse» beschreibt, scheint ihr recht zu geben:
«Die Bilder der Flammen in Australien sind real und gleichzeitig symbolisch für eine Welt, die in Brand geraten ist», sagt einer, der sich intensiv mit Untergangsszenarien beschäftigt: der Literaturwissenschaftler Klaus Vondung. «Was sich im Moment auf unserem Globus abspielt, führt natürlich zu Ängsten und Interpretationen.»
Beim Blick in die Geschichte wird aber klar: Die Apokalypse hatte auch zu früheren Zeiten Konjunktur. Das letzte «ernsthafte Untergangsszenario» habe es in den 1980er-Jahren gegeben, erklärt Vondung.
Schafft sich der Mensch selbst ab?
Damals habe die Nachrüstung von Mittelstreckenraketen durch die USA und die Sowjetunion Ängste vor der atomaren Vernichtung geweckt. Für Vondung versinnbildlicht diese die Hybris, den Hochmut und die Überheblichkeit des technologischen Fortschritts.
In den Materialschlachten zweier Weltkriege und der industriellen Vernichtung von Menschenleben im Holocaust fand all das seinen Ausdruck. Anstelle des Fortschrittsglaubens, den Utopien des 19. Jahrhunderts, trat im 20. Jahrhundert der Schrecken des menschgemachten Untergangs.
«Zunächst gab es die Hoffnung, dass man auch im säkularen Gewand Erlösung finden konnte, durch eine neue Gesellschaft, einen neuen Menschen. Das Paradies auf Erden», so Vondung. «Diese Hoffnung ist spätestens mit den Atombomben von Hiroshima und Nagasaki verloren gegangen.»
Zeit also, um endgültig alle Hoffnung fahren zu lassen? Vondung interveniert. Denn die «Untergangspropheten» unsere Tage von Greta Thunberg über António Guterres wollten die Menschen zur Umkehr bewegen: «Sie fordern politische und gesellschaftliche Massnahmen, aber auch Veränderungen im Verhalten von jedem Einzelnen.»
Letzteres bleibt für den Forscher ein weiter Weg – etwa mit Blick auf die steigenden Verkaufszahlen von SUVs: «Die Menschen werden angehalten, die CO2-Emissionen zurückzuschrauben. Aber man sieht noch keine wirkliche Umkehr.»
Schreiten wir also mit sehendem Auge in die Apokalypse? Vondung diagnostiziert eine Gefahr der Abstumpfung durch die allgegenwärtigen Untergangsszenarien. Doch er schliesst mit einer hoffnungsvollen Note.
Es gebe durchaus Menschen, die ihr Verhalten änderten, und auch viele Staaten hätten sich zum Klimaschutz verpflichtet. «Man kann hoffen, dass sich der Untergang doch noch abwenden lässt», schliesst der Forscher. Und muss ob der apokalyptischen Wortwahl selber schmunzeln.