Ein Gesetz in Australien erlaubt es religiösen Schulen, Lehrkräfte und Schülerinnen zu diskriminieren – und zwar einzig aufgrund deren sexueller Ausrichtung, ihres Geschlechts oder ihres Zivilstandes. Schulen müssen einzig beweisen, dass der kritisierte Lebensstil, wie sie es nennen, im Widerspruch zu ihrer Doktrin steht.
Merkt eine katholische Schule zum Beispiel, dass eine Lehrerin mit einem Mann im Konkubinat lebt, kann sie entlassen werden. Erfährt die Leitung einer islamischen Madrasa, dass ein Lehrer homosexuell ist, kann ihm der blaue Brief drohen. Und das Kind in einer anglikanischen Schule, das den Schritt gewagt hatte, offen zu seiner Transsexualität zu stehen, kann problemlos ausgeschlossen werden.
Verlässliche Zahlen gibt es nicht, wie oft religiöse Institutionen von diesem Recht Gebrauch machen. Viele Betroffene wollen nicht an die Öffentlichkeit, um ihre Berufschancen nicht weiter zu gefährden.
Diskriminierung mit voller Unterstützung des Gesetzes
Das Gesetz steht im Widerspruch zur Haltung der Mehrheit der australischen Öffentlichkeit, wie Umfragen zeigen. Justizminister Mark Dreyfus sagte jüngst im Parlament: «Kein Australier soll diskriminiert werden wegen dem, was er oder sie ist oder glaubt.»
Trotzdem dürfte es selbst dem höchsten Rechtsvertreter vorerst nicht gelingen, es abzuschaffen. Denn Premierminister Anthony Albanese will keinen entsprechenden Gesetzesvorschlag einbringen. Obwohl eine unabhängige Gerichtskommission die Streichung empfohlen hatte und obwohl sie ein Wahlversprechen der Labour Partei war. Erst müsse die konservative Oppositionspartei unter ihrem Führer Peter Dutton zustimmen, so die Forderung.
Eigentlich sollte das eine Selbstverständlichkeit sein. Denn auch der frühere streng religiöse konservative Premierminister Scott Morrison hatte einst eine entsprechende Gesetzesänderung vorgeschlagen. Sie scheiterte aber an den progressiven Stimmen in seiner Partei, denen die Vorlage zu wenig weit gegangen war.
Religiöse Kräfte dominieren
Heute scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Beobachter glauben, die starken konservativen religiösen Kräfte in der Oppositionspartei würden Dutton unter Druck setzen, Nein zu sagen. Jedenfalls griff er Albanese heftig an. Diesem Typen könne man nicht glauben, sein Wort sei nichts wert. Und so einer wolle Premierminister sein, dem jeder glauben könne.
Der Grund für das Zögern: Albanese fürchte einen neuen Kulturkampf, sagt der langjährige Journalist Paul Bongiorno von der Wochenzeitung Saturday Paper. Bereits bei der Abstimmung für mehr Rechte für indigene Menschen im letzten November hatten die Konservativen mit populistischen, manchmal rassistischen Parolen ein Nein erwirkt.
Ein neuer Kulturkampf könne den Vorschlag für diese Gesetzesänderung zum Scheitern verurteilen und in der Bevölkerung massive Schaden anrichten, so der Journalist. Ein Schaden, der die Schwächsten und Verletzlichsten besonders betreffen würde, fürchten Betroffene.
Wie in den Vereinigten Staaten verschärft sich auch in Australien unter Konservativen die Rhetorik gegen Transsexuelle, unter ihnen viele Jugendliche. Verbale und manchmal sogar physische Angriffe auf solche Menschen nehmen zu.