«Ich bin 2015 in die Labour-Partei eingetreten», erzählt eine junge Jüdin zu Beginn der BBC-Dokumentation: «Jeden Tag wurde ich antisemitisch beschimpft. Sie sagten mir, Hitler habe Recht gehabt, er sei nicht weit genug gegangen…»
Damals übernahm Jeremy Corbin die Führung der oppositionellen Labour-Partei. Bis dahin habe es, heisst es in der Dokumentation, kaum Beschwerden über antisemitische Umtriebe in der britischen Arbeiterpartei gegeben.
«Nun aber traten vermehrt Leute mit einer bestimmten Perspektive und Weltsicht in die Partei, die Raum für Antisemitismus schufen», berichtet ein früherer Parteifunktionär. Er war wie die anderen Insider in der Dokumentation mit der Untersuchung antisemitischer Vorfälle bei Labour betraut.
«Sie alle werfen der Parteispitze vor, bewusst und teilweise entgegen ihrer Ratschläge nicht beherzt genug durchgegriffen zu haben. Sie lasse Antisemiten faktisch gewähren», fasst SRF-Korrespondentin Henriette Engbersen zusammen. Die Parteispitze räume zwar Probleme ein – wirklich etwas getan habe sie in der Vergangenheit aber nicht.
Ich werde niemals etwas anderes sein als ein militanter Gegner des Antisemitismus.
Labour-Chef Corbyn musste sich in der Vergangenheit wiederholt wegen seiner vermeintlich antisemitischen Gesinnung rechtfertigen. Der Vorwurf: Seine Parteinahme für die Sache der Palästinenser sei getragen von notorischem Hass auf Israel und die Juden.
Corbyn selbst sagt von sich: «Ich werde niemals etwas anderes sein als ein militanter Gegner des Antisemitismus.» Und Labour sei eine bis ins Mark anti-rassistische Partei.
Die Insider im Film weiten die Kritik an Corbyn auf weite Kreise von Labour aus: «Sie werfen der Partei vor, keine klare Trennlinie zwischen Solidarität für die Palästinenser und Judenfeindlichkeit zu ziehen», sagt Engbersen.
Ausloten des Graubereichs
Corbyn war in früheren Jahren als Friedensaktivist und glühender Anhänger von Befreiungsbewegungen bekannt. Kürzlich tauchte ein altes Video auf, indem sich Corbyn über britische Zionisten auslässt, berichtet Engbersen: «Darin wartet Corbyn mit deutlich negativen Verallgemeinerungen über eine Volksgruppe auf.»
Auch wenn er sich selbst immer gegen Rassismus eingesetzt habe, habe der Labour-Chef auch mit solchen Aussagen eine neue Klientel angezogen: «Entsprechend hat sich das Problem verschärft.»
Zum Schaden der Partei, schliesst die Korrespondentin. Sie könne angesichts der anhaltenden Antisemitismus-Debatte nicht von der Schwäche der regierenden Tories profitieren, die seit Monaten durch den Brexit schlingern.