Nach mehr als einem Jahr Untersuchung kommt der parlamentarische Ausschuss in den USA zu dem Schluss, Donald Trump sei bei dem Plan, das Wahlresultat von 2020 umzustossen, der Strippenzieher gewesen. Dieser Plan gipfelte am 6. Januar 2021 im Sturm auf das Kapitol in Washington. Trump habe den Mob aufgepeitscht und losgeschickt, heisst es. Am Mittwoch hielt der Ausschuss nach längerer Pause wieder eine öffentliche Anhörung ab, womöglich die letzte.
Gibt es genügend direkte Beweise?
Auch das Justizministerium untersucht die Geschehnisse vom 6. Januar 2021. Die brisante Entscheidung, ob Donald Trump für seine Rolle an diesem Tag angeklagt wird, liegt bei Justizminister Merrick Garland. Die Frage sei, ob die Ermittler genügend direkte Beweise gegen Trump zusammenbekommen, um Anklage zu erheben, sagt Andrew Weissmann, ein ehemaliger hochrangiger US-Strafverfolger.
«Wer Strafanklage erhebt, glaubt, dass er eine zwölfköpfige Jury überzeugen kann, einstimmig zum Schluss zu kommen, der Angeklagte sei schuldig. In diesem Fall, in dem zum ersten Mal ein ehemaliger Präsident angeklagt würde, müssen die Beweise besonders überzeugend sein», so Weissmann. Im Fall des 6. Januars 2021 werde es wohl dauern, bis mit einer Anklage von Trump zu rechnen sei.
Das Justizministerium hat gesehen, welches Material der parlamentarische Ausschuss in den Anhörungen präsentiert hat und hat die Ermittlungen ausgeweitet.
«Wenn in sechs Monaten Anklage erhoben würde, wäre ich sehr beeindruckt vom Tempo. Bis jetzt wurden fast nur jene angeklagt, die am 6. Januar ins Kapitol eindrangen, hunderte von ihnen wurden angeklagt. Erst im Mai oder Juni wurden auch das damalige Weisse Haus und Trump selbst ins Visier genommen. Das Justizministerium hat gesehen, welches Material der parlamentarische Ausschuss in den Anhörungen präsentiert hat und hat die Ermittlungen ausgeweitet.»
Entscheid liegt bei Garland
Einer der Vorwürfe lautet: Trump habe versucht, das Wahlresultat umzustossen. Es gibt auch einen weiteren Vorwurf: Die Bundespolizei hat diesen August in Mar-a-Lago, in der Residenz von Donald Trump, als geheim klassifizierte Dokumente sichergestellt, die Trump aus dem Weissen Haus mitgenommen hatte. In diesen zwei Fällen muss Garland entscheiden, ob er Anklage erhebt oder nicht.
Weissmann ordnet die Vorwürfe so ein: «Der Mar-a-Lago-Fall ist ein simpler Fall, nichts Kompliziertes. Der Fall um den 6. Januar ist auch nicht extrem kompliziert, er gibt aber viel mehr zu tun. Er hat mehr Bestandteile, mehr Zeugen, mehr Dokumente. Es ist gut möglich, dass Garland in einem Fall so weit ist, Anklage zu erheben, im anderen aber nicht. Er wird dann entscheiden müssen, was zu tun ist.»
Kandidatur schützt nicht vor Strafrecht
Merrick Garland ist ein überlegter, methodischer Jurist und lässt sich selten in die Karten blicken. Weissmann ist der Meinung: Garland sollte – wenn er kann – in beiden Fällen Anklage erheben. Donald Trump wäre somit nicht nur der erste ehemalige Präsident, der angeklagt würde, sondern vielleicht auch der erste Präsidentschaftskandidat.
Wir wären nicht das erste Land, in dem ein Kandidat oder sogar ein ehemaliger Präsident angeklagt wird.
Es ist nämlich möglich, dass Trump eine erneute Kandidatur für 2024 bekannt gibt. «Eine Kandidatur schützt nicht vor strafrechtlicher Verfolgung. Wir wären nicht das erste Land, in dem ein Kandidat oder sogar ein ehemaliger Präsident angeklagt wird. Manche sagen: Wenn es zur Anklage kommt, werden die USA zur Bananenrepublik. Ich sage: Wir werden zur Bananenrepublik, wenn es nicht zur Anklage kommt.»
So oder so birgt die Entscheidung von Justizminister Garland politischen Zündstoff: Wird Trump nicht angeklagt, würde das den Grundsatz lügen strafen, niemand stehe über dem Gesetz. Wird Anklage erhoben, so wäre dies Wasser auf die Mühlen von Trump und seinen Anhängern, die schon jetzt behaupten: Alle Ermittlungen gegen ihn seien rein politisch motiviert.