Das Abtreibungsverbot befeuert die Protestierenden in Huntsville. Mit Megafonen schleudern sie ihre Botschaften über die Camouflage-Barrikade, welche die Klinik zum Schutz der Patientinnen erreichtet hat. «Ihr leistet Beihilfe zum Mord» und «Gott wird Euch strafen», tönt es.
Sogar aus Nachbarstaaten wie Tennessee sind die Abtreibungsgegner angereist. «Es ist ein amerikanischer Holocaust», sagt ein Mann aus Tennessee, der Donald Trumps Slogan «Make America Great Again» auf seiner Mütze trägt. Von einem «Holocaust» ist auch im Gesetz von Alabama die Rede. «Wir haben offene Grenzen und werden von Immigranten überflutet, aber die eigenen Bürger töten wir», sagt der Mann aus Tennessee.
Auf dem Gehsteig vor der Klinik ist auch der lokale Strassenprediger James Henderson mit seiner Anhängerschaft präsent.
«Derzeit können wir das Klinik-Personal noch nicht verhaften, aber wir sind bereit, sobald das Gesetz in Kraft tritt», sagt der Vietnam-Veteran und in Alabama bekannte Anti-Abtreibungsaktivist.
Fundamentale Christen, Männer-Aktivisten und Trump-Anhänger: Es ist ein buntes Gemisch, das auf dem Gehsteig vor der Klinik in Huntsville protestiert. In Alabama ist ihre Meinung mehrheitsfähig. 59 Prozent der Wähler und Wählerinnen haben letztes Jahr dafür gestimmt, dass der Staat «ungeborenes Leben schützt».
Auf der anderen Seite der Barrikade, auf dem Parkplatz der Klinik, darf nicht protestiert werden. Dort warten Freiwillige auf heranfahrende Patientinnen, um sie sicher vom Auto zum Eingang der Klinik zu bringen.
Nancy Morris leistet dreimal pro Woche ihren Einsatz; mit einem grossen Regenschirm schützt sie die Gesichter der Patientinnen. «Das macht die Protestler rasend, wenn sie keine Reaktion erhalten.»
Im Innern des «Alabama Women’s Center» herrscht eine professionelle, fast heitere Atmosphäre. Das Personal ist enorm motiviert, empfindet es als Berufung, Frauen Schwangerschaftsabbrüche zu ermöglichen.
Direktor Dalton Johnson hat die Klinik in Huntsville vor 25 Jahren mitbegründet. Seither sei er eigentlich andauernd in Gerichtsfälle verwickelt. Seine Klinik hat gegen das Abtreibungsgesetz bereits eine Verfassungsklage eingereicht, die vor Gericht fast sicher Erfolg haben wird.
Die Politiker in Alabama würden immer neue Wege suchen, um Abtreibungskliniken das Leben schwer zu machen, sagt er – etwa durch teure Gebäudebestimmungen oder medizinisch unnötige Sicherheitsmassnahmen. «Das Abtreibungsrecht der Frauen ist in Alabama schon heute nicht garantiert», ist Johnson überzeugt.
Die Klinik in Huntsville ist die einzige Einrichtung in Alabama, die Abtreibungen bis zur 20. Schwangerschaftswoche vornimmt – die legale Frist für Schwangerschaftsabbrüche in dem Gliedstaat.
Dr. med. Willie Parker erhält regelmässig Morddrohungen. Er lasse sich nicht aus der Ruhe bringen, sagt er. Sonst könne er seinen Job nicht machen. In den USA gab es seit 1973, als der Oberste Gerichtshof die Abtreibung legalisiert hatte, Dutzende von Gewaltakten gegen medizinisches Personal.
Und die Frauen, die Schwangerschaften in Alabama abbrechen – was denken, was fühlen sie? Eine Patientin erklärt sich bereit, SRF News Auskunft zu geben. Da sie anonym bleiben möchte, nennen wir sie «Cindy».
«Ehrlich gesagt, als ich die Protestierenden vor der Klinik sah, wäre ich am liebsten in sie hineingefahren. Was erlauben die sich, über mich zu urteilen?», fragt die 32-Jährige. Sie hat zwei Kinder und ist alleinerziehend. Ein drittes Kind könne sie einfach nicht stemmen, sagt Cindy.