Im Süden Italiens bahnt sich ein Streit an. Einerseits drängt die Regierung auf den Ausbau erneuerbarer Energien – mehr denn je, seitdem die erdrückende Abhängigkeit vom russischen Gas, das 40 Prozent der Gaseinfuhren ausmacht, nach mehr Selbstversorgung in der Stromerzeugung schreit. Andererseits zeigen die Lieferengpässe aufgrund von Krieg und Sanktionen auch Italiens Abhängigkeit von ausländischen Agrarprodukten wie Getreide und Mais.
Für beides, Energie und Landwirtschaft, ist Sizilien prädestiniert als ehemalige Kornkammer und Heimat von Wind und Sonne.
Jeden Monat werden deshalb auf der Insel Projekte für Solar- und Windparks in der Höhe von fünf bis zehntausend Megawatt eingereicht und warten auf grünes Licht. Die Lizenzen dafür stellt vor allem die Zentralregierung in Rom aus, welche den Ausbau der erneuerbaren Energie zur Chefsache erklärt und damit Regionen und Gemeinden das Genehmigungsverfahren entzogen hat.
Italien will so das selbstgesteckte Ziel erreichen, bis 2030 knapp 100'000 Megawatt mit Sonne und Wind produzieren zu können – fast doppelt so viel wie heute.
Es geht doch nicht, dass unsere Kulturlandschaft mit Getreidefeldern, Olivenhainen und Plantagen für Zitrusfrüchte einem silbernen Meer von Liziumspiegeln weicht.
Gleichzeitig melden sich aber immer mehr lokale Administratoren und Bürgermeister zu Wort. Sie fürchten, dass die sizilianische Kulturlandschaft in einem Meer von Wind- und Sonnengeneratoren versinkt. «Es geht doch nicht», sagt Salvatore La Spina, «dass unsere Kulturlandschaft mit Getreidefeldern, Olivenhainen und Plantagen für Zitrusfrüchte einem silbernen Meer von Liziumspiegeln weicht.»
Dabei erhebt sich hinter dem Bürgermeister von Centuripe in der Provinz Enna ehrwürdig der Ätna, und es zeigen sich fruchtbare Ebenen, in denen seit Jahrhunderten Landwirtschaft betrieben wird.
Ackerbau lohnt sich nicht
«Wir alle wollen erneuerbare Energien, ohne dass aber wertvoller Boden geopfert wird.» Gerade Solarparks sollten deshalb, so der Bürgermeister, bevorzugt auf schon bestehender Bausubstanz wie Dächern von Fabrikanlagen und Lagerhallen, aber auch landwirtschaftlichen Gebäuden installiert werden.
Das aber würde die Investitionen teurer machen – meinen die Gegner von zu viel Bewahrung und Naturschutz. Internationale Unternehmen aus ganz Europa würden lieber 40 bis 60 Hektar grosse Solarparks bauen, anstatt ihre Produktionsanlagen auf schon bestehende Dächern zu verteilen.
Deshalb bieten die Wind- und Solarparks den Landwirten pro Hektar bis zu 25'000 Euro für den Kauf ihres Landes an. Das ist viel mehr, als ein Bauer pro Hektar je erwirtschaften kann.
Bürgermeister wie Salvatore Spina fordern deshalb höhere Preise für Getreide, damit der Anbau sich auch wieder lohnt. Denn viele Landwirte lassen seit Jahren ihre Äcker unbestellt und kassieren dafür von der Europäischen Union eine Prämie.
Diese Ausgleichszahlung war einmal gedacht, um Butter- und andere Lebensmittelberge infolge von Überproduktion in der Landwirtschaft abzubauen. Doch die drohende Versorgungskrise durch den Krieg in der Ukraine sorgt auch hier für ein Umdenken und stellt jetzt nicht nur Sizilien vor schwierige Entscheidungen.