Der islamistische wie der rechstextreme Terror ist auf dem Vormarsch - und beide Strömungen stachelten sich gegenseitig an. Diese globale Bedrohung durch Extremisten sei beträchtlich, erklärte der Leiter der Anti-Terror-Einheit der britischen Polizei am Montag.
Genau diese Dynamik hat die Extremismusforscherin Julia Ebner untersucht und in ihrem aktuellen Buch «Wut – was Islamisten und Rechtsextreme mit uns machen» beschrieben. Dazu recherchierte sie verdeckt und führte Gespräche mit Extremisten auf beiden Seiten.
SRF News: Wie sind Sie vorgegangen, um in diese Kreise hineinzukommen?
Julia Ebner: Ganz am Anfang besuchte ich zwei Veranstaltungen, um sozusagen in die extremistischen Netzwerke hineinzuschnuppern. Eine wurde von der Rechtsextremen-Bewegung «English Defence League» organisiert, die andere von der islamistischen Bewegung Hizb al-Tahrir. Auf Basis dieser Kontakte und meiner verdeckten Online-Identitäten habe ich versucht, direkte Gespräche mit Mitgliedern dieser und anderer Bewegungen zu führen – sowohl mit rechtsextremen als auch mit islamistischen Organisationen.
Was haben sie dort gehört?
Auf beiden Seiten war die Rhetorik sehr ähnlich, nämlich eine, die an einen bevorstehenden Krieg zwischen Rassen oder Kulturen glaubt. Beide suchen die Rückkehr zu einer, wie sie sagen «reinen» Gesellschaftsform.
Das Happy End wäre für beide eine Rückkehr zu einer ethno-kulturell einheitlichen Gesellschaft, sei es ein weisses Europa, sei es ein islamisches Kalifat.
Tatsächlich aber spielen sich die beiden Gruppierungen sehr stark in die Hände, weil sie am selben Drehbuch schreiben. Beide versuchen, die Gesellschaft zu spalten und zu polarisieren, um Menschen aus der Mitte auf ihre Seite zu ziehen. Das Happy End wäre für beide eine Rückkehr zu einer ethno-kulturell einheitlichen Gesellschaft.
Lassen sich die beiden Lager so vereinheitlichen?
Es lässt sich beobachten, dass die Rechtsextremen seit der Zunahme der dschihadistischen Anschläge sehr stark auf ihren gemeinsamen Feind, die Muslime, fokussiert sind. Es ist genau diese gegenseitige Instrumentalisierung als Feind, die die Dynamik und die Interdependenz zwischen Islamisten und Rechtsextremen vorantreibt.
Beide versuchen, die Gesellschaft zu spalten und zu polarisieren, damit sich die Menschen am Ende für die eine oder andere Seite entscheiden.
Woran machen Sie diese Dynamik fest?
Ich habe auch einige Feldstudien gemacht, in denen ich mir die Dynamik in Grossbritannien, Deutschland, Frankreich und den USA vor allem offline angesehen habe. Sehr oft kommt es regional zu Eskalationen zwischen islamistischen und rechtsextremen Gruppen.
Die gegenseitige Instrumentalisierung als Feind, treibt die Dynamik und die Interdependenz zwischen Islamisten und Rechtsextremen voran.
Das Mobilisierungspotenzial auf beiden Seiten ist deutlich höher, wenn sie beide vor Ort einen Feind haben. Das heisst, mit jedem terroristischen Anschlag schaffen es Rechtsextreme, mehr Menschen auf ihre Seite zu ziehen. Umgekehrt steigen mit jeder rechtsextremen Hasskriminalität auch die Zahlen und damit das Mobilisierungspotenzial in den islamistischen Gruppen.
Wie liesse sich diese Spirale durchbrechen?
Einerseits mit Erziehungsprogrammen, die darüber aufklären, wie Extremisten versuchen, ihre Rhetorik in den Mainstream zu bringen – welche Techniken und Strategien sie dafür anwenden. Man müsste aber auch darüber aufklären, wie sich Islamisten und Rechtsextreme gegenseitig in die Hände spielen. Kritisches Denken, digitale Kenntnisse sind auch nötig, um diesen Kampagnen aktiv zu begegnen.
Andererseits müsste die Politik kohärent reagieren und darauf bedacht sein, alle Formen von Terrorismus gleich zu behandeln und dieselben Massnahmen dagegen zu ergreifen. Sie müsste also rechtsextrem inspirierte Anschläge auch als Terrorismus bezeichnen und dieselben Massnahmen wie bei islamistischen Anschlägen ergreifen. Und umgekehrt natürlich auch.
Welche Rollen spielen die Medien in dieser Dynamik?
Sie spielen eine riesige Rolle im Mainstreaming und der Normalisierung dieser extremistischen Diskurse. Sowohl die Islamisten als auch die Rechtsextremen wissen, wie sie die Medien sehr gezielt für ihre Zwecke instrumentalisieren können – um die politische Agenda zu beeinflussen und um Druck auf ihre jeweiligen Opponenten auszuüben.
Terroranschläge und Medienstunts rechtsextremer Bewegungen sind nichts anderes als ein Versuch, ihre Ideologien durch die Medien vom Rand in den Mainstream zu bringen.
Sollten die Medien also nicht über Anschläge oder solche Veranstaltungen berichten?
Die Medien müssen hier eine Balance finden, und das ist sehr schwierig. Keine Berichterstattung zu diesen Themen, ist natürlich auch keine Alternative. Es geht vor allem darum, nicht nur die Propaganda zu reproduzieren, sondern sich kritisch mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Wenn beispielsweise über Protestmärsche berichtet wird, sollte man auch die Hintergründe dazu liefern und aufzeigen, was die Forderungen der Rechtsextremen eigentlich bedeuten.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.