Katherine Amoukhteh lebt im Bezirk Orange County. Nach Los Angeles ist das der einwohnerreichste Bezirk in Kalifornien. Orange County war seit Präsident Richard Nixon stets fest in republikanischer Hand. Doch bei der letzten Wahl erhielt Hillary Clinton hier fünf Prozent mehr Stimmen als Donald Trump.
Ihren ersten grossen Schock hatte Amoukhteh im Oktober 2016, als ihr Sohn, 17 Jahre alt, plötzlich das P-Wort benutzte. P steht für Pussy. Und der Sohn zitierte Trump, wonach man als Prominenter Frauenkörper anfassen könne, wo man wolle. «Er hat das Wort in meiner Gegenwart gesagt, und mein Kopf ist fast explodiert. Was ist passiert?» Das habe sie sich gefragt.
Wieso ist es nicht mehr schockierend, so etwas zu sagen? Der Anstand im Umgang miteinander ist durch Trump ziemlich verloren gegangen.
Bis 2016 hatte die Mittfünfzigerin ihre Kreuze stets bei republikanischen Kandidatinnen und Kandidaten gemacht. Die Mutter von zwei Kindern und ehemalige Highschool-Lehrerin unterstützt Werte, für die die Partei stand – ausgeglichenes Budget, Familie, Sicherheit. Jetzt erkennt sie die Partei nicht mehr. Sie hielt Trump für einen Witz, einen Ausrutscher der Partei.
Aus Clintons Erdrutschsieg wurde nichts
Sie stimmte für Hillary Clinton und war überzeugt, die Demokratin würde mit grossem Abstand zur ersten Frau im Weissen Haus gewählt. Doch Trump wurde Präsident. Das war der zweite Riesenschock. «Für mich muss die Person, die unser Land anführt, vor allem erst einmal intellektuell verstehen, was unsere Probleme sind. Nur dann können wir diese lösen.»
Die klügste Person im Raum muss uns anführen, nicht die dümmste.
Seit dieser Wahl überlegt die Tochter von Einwanderern aus China genau, wem sie ihre Stimme gibt. Wie viele US-Bürger asiatischer Herkunft war sie bis 2016 auch nicht politisch aktiv. Seither macht sie für die Demokraten mobil.
In Reden, Videos und Gesprächen wendet sie sich an Menschen, die ähnlich aufgewachsen sind wie sie. «Ich sage den Leuten immer, es ist was dran am Klischee. Wir wählen meistens nicht, wollen keinen Ärger. Meine Eltern haben immer gesagt, konzentriere dich aufs Arbeiten und beschwere dich nicht.»
Ehemann und Kinder aus Partei ausgetreten
Diese Einstellung müsse sich ändern, sagt Amoukhteh. Dass die Demokraten Joe Biden und Kamala Harris als Kandidaten nominierten, mache ihre Überzeugungsarbeit leichter, als wenn Bernie Sanders oder Elizabeth Warren antreten würden. Bei ihren Gesprächen helfe ausserdem, dass sie noch nicht aus der Partei ausgetreten sei.
«Aber ich lebe mitten zwischen Republikanern und denke, progressive Politik kann nur gewinnen, wenn wir die Moderaten unter ihnen überzeugen.» Sie könne ehrlich sagen: «Ich bin selbst Republikanerin, ich verstehe euch. Aber lasst uns mal diese Kandidatin oder dieses Thema genauer anschauen.»
Ihr Mann, der ebenfalls immer republikanisch wählte, ist vor den Kongresswahlen 2018 Demokrat geworden. Auch ihre Kinder sind als solche registriert. Ihre Tage als Republikanerin seien vermutlich gezählt, sagt Amoukhteh. Für sie haben zu viele führende Parteimitglieder Trump nicht nur keinen Widerstand geleistet, sondern ihn tatkräftig unterstützt.
Er hat unser Land sehr gespalten. Familien und Freunde sind zerstritten.
«Wir können nicht mehr zivilisiert über Steuern oder Sicherheitspolitik reden. Wir sehen die hässliche Seite von Nationalismus. Wenn wir uns weiter in diese Richtung bewegen, habe ich Angst um die Zukunft meiner Kinder.»
Es ärgert sie, dass Trump behauptet, mit Biden würden Linksradikale Vorstädte wie ihre in Flammen setzten. Sie fürchtet vielmehr, dass vier weitere Jahre mit Präsident Trump die ganzen USA in Scherben zurücklassen werden.