Piräus vor den Toren Athens gehört zu den fünf wichtigsten Häfen Europas, seit Cosco den Hafen quasi übernommen hat. Cosco steht für «China Ocean Shipping Company» und ist eine der grössten Reedereien der Welt.
Über fünf Millionen Container werden in Piräus jährlich umgeschlagen. 15 Millionen Menschen nutzen jedes Jahr den Fährhafen zu den griechischen Inseln – das ist Rekord in Europa. Und 770 Kreuzschiffe, darunter auch die ganz grossen mit 5000 Passagieren, legen jährlich im Hafen vor Athen an.
Der Kopf des Drachen
Piräus liegt zwar 7625 Kilometer Luftlinie von Peking entfernt, aber der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping nennt ihn dennoch «den Kopf des chinesischen Drachen». Der Hafen gehört zu zwei Dritteln Cosco, die den Hafen erst mal bis 2052 gepachtet hat. Und hinter Cosco steht der chinesische Staat.
Griechenland verdient bloss etwa sieben Millionen Euro an der Pacht.
Für China ist Piräus das Tor zum Westen. Die Containerschiffe aus Asien erreichen Europa durch den Suezkanal und machen dort einen ersten Zwischenhalt. Anschliessend verkehren sie weiter nach Genua, Rotterdam, Hamburg, sogar bis in die USA, oder die Fracht wird über den Balkan nach Osteuropa transportiert.
Aber: «China exportiert Güter in zweistelliger Milliardenhöhe über Piräus, doch Griechenland verdient bloss etwa sieben Millionen Euro an der Pacht», sagt Plamen Tonchev, der die Asienabteilung des «Institute of International Economic Relations» in Athen leitet. «Der Verkauf des Hafens an Cosco war ein schlechter Deal für Griechenland.»
«Troika» hat Druck ausgeübt
Das bestätigt auch der 76-jährige Thodoris Dritsas, der diesen Deal unterzeichnet hat. Unfreiwillig allerdings. Dritsas war Minister für Schifffahrt unter der linken Syriza-Regierung. Auf Druck der sogenannten Troika (EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds) musste Griechenland während der grossen Finanzkrise Flughäfen, Autobahnen, Telefongesellschaften und auch Seehäfen wie Piräus verkaufen; das war die Bedingung für die Rettung vor dem Staatsbankrott.
Heute, in Zeiten des Krieges in der Ukraine und eines möglichen Konflikts zwischen Taiwan und China, sieht man in Europa den Verkauf strategisch wichtiger Infrastruktur ganz anders. «Im Nachhinein ist man immer klüger», gestand auch der frühere CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble gegenüber SRF ein.
Seit 2016 besitzt Cosco 51 Prozent des Hafens und seit 2021 sogar 67 Prozent. Den Containerterminal, das Herzstück des Hafens, hat Cosco an eine 100-prozentige Tochter, die «Piraeus Container Terminal» (PCT), vermietet. Sie zahlt 78 Millionen Franken an Pacht an die Hafenbehörde, sprich an Cosco. Die knapp 80 Millionen Franken gehen also von einer Tasche von Cosco in die andere. Cosco und ihre Tochter zahlen aber nur etwa 34 Millionen Franken Steuern an Griechenland.
Wenn irgendeinmal Wasser auf dem Mond entdeckt wird, werden wir dort Schiffe reparieren.
In der «Ship Repair Zone» im Hafen von Piräus liegt ein riesiges Schiff auf dem Trockendock. Figuren in blauen Overalls krabbeln wie Ameisen über ein Gerüst. Hier arbeiten griechische Werftunternehmen, die sich im Hafen, also bei Cosco, eingemietet haben. «Wir sind Weltklasse», sagt Konstantinos Spyropoulos, der mit seiner Firma Schiffe auf der ganzen Welt überholt. «Bevor Cosco nach Griechenland kam, habe ich Schiffe in China repariert, demnächst fahre ich nach Norwegen und Chile, und wenn irgendeinmal Wasser auf dem Mond entdeckt wird, werden wir Schiffe auf dem Mond reparieren.»
Die griechischen Werftunternehmen sind eine stolze Zunft. Jetzt fürchten sie aber um ihr Überleben. Cosco schikaniere die Unternehmen, verlange hohe Preise, zum Beispiel für die Abfallentsorgung, und schmälere so die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Werftunternehmen. Sie fürchten, dass Cosco sie verdrängen will, um auf der «Ship Repair Zone» einen weiteren lukrativen Containerterminal zu errichten.
Cosco hat zwar Investitionen über 287 Millionen Franken bis 2021 zugesagt, bislang ist aber nach Schätzungen der Gewerkschaften nur etwa ein Drittel geflossen. Und die Investitionen würden auch schöngerechnet: So habe Cosco kein neues Trockendock errichtet, sondern ein altes aus China eingeführt.
Alexandroupoli im Blick der USA
Auch der Hafen Alexandroupoli im Norden Griechenlands am thrakischen Meer hätte privatisiert werden sollen. So wie Thessaloniki, das zu einem signifikanten Teil in den Händen des griechisch-russischen Oligarchen Ivan Savidis ist.
Doch nicht zuletzt auf Initiative der USA hin ist Alexandroupoli in den Händen des griechischen Staates geblieben. Denn der Hafen ist mit dem Krieg in der Ukraine zu einem strategischen Umschlagplatz geworden. Seit das Schwarze Meer wegen der russischen Blockade praktisch unpassierbar ist, führt der Nachschub der Nato in Osteuropa von Süden her über Alexandroupoli.
In regelmässigen Abständen werden Panzer, Helikopter, Fahrzeuge ent- oder verladen. Anfang 2024 wird ein Flüssiggasterminal eröffnet, um die Abhängigkeit von russischem Gas in der Region zu verringern, und laut Insidern sollen Silos für 200'000 Tonnen Getreide entstehen, als Teil einer möglichen Alternativroute für den Export ukrainischen Getreides.
Grüne Revolution
Ganz im Nordwesten schliesslich, in der Region von Kozani in Westmakedonien, nahe der albanischen Grenze, investiert die EU 1.34 Milliarden Franken, um die Transformation von Kohle zu Solar- und Windenergie abzufedern und zu unterstützen. Jahrzehntelang war Kozani der Maschinenraum Griechenlands gewesen; hier wurde im Tagebau Kohle gefördert, in nahegelegenen Kraftwerken verstromt und von dort ins ganze Land geleitet.
Nun sollen stattdessen riesige Solar- und Windparks entstehen. Eigentlich wollte Griechenland bereits in diesem Jahr ganz aus der Kohle aussteigen, wegen des Kriegs in der Ukraine wurde der Ausstieg auf 2028 verschoben. Vor einem Jahr nun wurde bei Kozani eine 200-Megawatt-Solaranlage in Betrieb genommen: 500'000 Panels liefern Energie, die eine Stadt mit 75'000 Einwohnerinnen und Einwohnern versorgen kann. Doch nicht genug: In den nächsten Jahren sollen Anlagen entstehen, die sogar drei Gigawatt produzieren können. Internationale Firmen wie RWE aus Deutschland oder BP Lightsource wollen riesige Flächen Öd- oder Weideland nutzen.
Obwohl die Transformation beeindruckend ist, regt sich Widerstand in der Bevölkerung. Zum Beispiel in Akrini, unweit von Kozani. Der Tagebau reicht bis ans Dorf heran, unmittelbar daneben rauchen fünf riesige Schornsteine des grössten Kohlekraftwerks Griechenlands, Agios Dimitrios. Lärmige Förderbänder transportieren die Kohle aus der Grube direkt ins Kraftwerk. Daneben goldene Felder. Und bald sollen die Hügel von Solarpanels bedeckt werden.
Asche in unseren Augen, auf unseren Strassen, und wir atmen das alles ein.
Kostas Poutakidis ist der Präsident des Umweltkomitees von Akrini. Das Dorf hätte schon vor zehn Jahren umgesiedelt werden sollen, weil die Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner gefährdet war. Doch jetzt heisse es seitens der Behörden, das lohne sich nicht mehr. «Asche, Asche, Asche», ruft er empört. «Asche in unseren Augen, auf unseren Strassen, direkt in unserem Dorf, und wir atmen das alles ein!»
Fazit: Griechenland ist mehr als eine Feriendestination mit blauem Meer und weissen Häusern. Das Land liegt im Fadenkreuz geostrategischer Interessen. China, die USA und die EU konkurrenzieren sich hier. Doch die Kleinen zahlen den Preis, für den strategischen Fehler in Piräus und den ökologischen Wandel zum Besseren in Kozani.