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Einigung auf Koalitionsvertrag Ein Kompromisspapier von Union und SPD in turbulenten Zeiten

In einer Welt in Aufruhr tickte die Uhr besonders laut bei den Koalitionsverhandlungen der künftigen Regierung aus CDU/CSU und SPD. Die jüngsten Verwerfungen dürften den Verhandlungen nochmals Schub versetzt haben. Herausgekommen ist ein Regierungsprogramm, das tiefere Steuern, verschärfte Migration und einen modernen Staat verspricht.    

Ein echtes Kompromisspapier

Bis zuletzt wurde gerungen. Der Union setzte Steuersenkungen für Unternehmen durch, dafür bleibt der Solidaritätszuschlag bestehen. Die SPD konnte ihre Rentenvorstellung reinverhandeln, aber nur für begrenzte Zeit. Es scheint ein echtes Kompromisswerk zu sein, mit oft vagen Formulierungen. Angesichts des besseren Wahlresultats von CDU/CSU hätte auch eine klarere Unions-Handschrift resultieren können. Aber der Kompromiss hat zu Unrecht einen schweren Stand. Wird er von allen Seiten getragen, erhöht das die Chance auf Umsetzung.

Maximaler Druck auf Friedrich Merz

Wer sich wo durchgesetzt hat, ist eine zentrale Frage, weil Friedrich Merz geschwächt in diese Verhandlungen ging, seine Glaubwürdigkeit hat im Wahlkampf gelitten. Er wollte sich mit maximalen Versprechen in der Migrationspolitik zusätzliche Stimmen sichern und sandte widersprüchliche Signale im Umgang mit der AfD. Übel genommen wird ihm in der CDU die Abkehr von der Schuldenbremse. Nun erwarten viele, dass sich Merz deutlich gegen die SPD durchsetzt. Der Druck ist auch gross, weil die AfD selbst in bundesweiten Umfragen zur CDU aufgeschlossen hat.  

Merz’ Migrationswende

Merz versprach eine Migrationswende mit Maximalforderungen, die weder auf Koalitionspartner, noch auf die EU Rücksicht nahm. Hier erwartet die Bevölkerung eine Kehrtwende. Zurückweisungen und Kontrollen an den Grenzen, irreguläre Migration reduzieren, eine Rückführoffensive: Das sind zwar Verschärfungen, sie bleiben aber hinter den Ankündigungen zurück. Klare SPD-Ansage: Das Grundrecht auf Asyl bleibt unantastbar. Auch hier wird zentral sein, welche Taten folgen. Der Union kommt zugute, dass sie mit dem Innenministerium künftig die Migrationspolitik prägen kann.  

SPD sichert sich Finanzministerium

Als Erfolg kann die SPD 7 von 17 Ministerien verbuchen. Die SPD erhält – wie schon bei der letzten schwarz-roten Regierung – das wichtige Finanzministerium, bei dem jedes grössere Vorhaben künftig vorbeimuss.

Die Verteidigung bleibt in SPD-Hand, erstmals seit fast 60 Jahren liegt das Aussenministerium wieder bei der Union. Ein «Ministerium für Digitalisierung und Staatmodernisierung» soll die Bedeutung dieser Anliegen unterstreichen, eine Garantie für Umsetzung ist das nicht.

Interessant wird sein, wer welchen Posten erhält. Frauen, Ostdeutsche, Junge? Es mangelt nicht an Erwartungen.

Mit spürbaren Resultaten Vertrauen zurückgewinnen  

Die SPD hatte bei den Wahlen historisch schlechte 16.4 Prozent erreicht und nun einiges rausgeholt. Dass ihre Mitglieder den Koalitionsvertrag absegnen müssen, gab ihr Verhandlungsmacht. Gleichzeitig fehlte der Union für ein Powerplay eine Alternative zur SPD. Sollte die SPD-Basis zustimmen, könnte Friedrich Merz Ende April oder Anfang Mai zum Kanzler gewählt werden.

Und dann ist die Hauptaufgabe dieser Regierung: Dinge so umsetzen, dass die Bevölkerung echte Verbesserungen spürt. Damit liesse sich Vertrauen zurückgewinnen. «Wir wollen ein Land sein, das es einfach wieder besser macht», sagte Merz. Er weiss, es muss unbedingt gelingen.

Simone Fatzer

Deutschland-Korrespondentin

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Simone Fatzer arbeitet seit 1998 für Radio SRF, unter anderem als Moderatorin der Sendung «Echo der Zeit» und als Dossierverantwortliche für Deutschland. Seit September 2021 ist sie Korrespondentin in Berlin.

SRF 4 News, 9.4.2025, 12:30 Uhr

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