Zum Inhalt springen

Einsatz von Schallwaffe? Unsichtbares Phänomen löst Panik bei Grossdemo in Belgrad aus

  • Ein Video von der Demonstration am Samstag in Belgrad zeigt, wie die Menschen während einer Schweigeminute panisch auseinander rennen.
  • Als Erklärung für die plötzliche Panik der Menschen kam die Vermutung auf, es sei eine neuartige Schallwaffe eingesetzt worden.
  • Die serbische Polizei und das Verteidigungsministerium bestreiten den Einsatz einer solchen Waffe. Experten zweifeln daran, dass das stimmt.

SRF-Rundschaureporter Adrian Lemmenmeier, der vor Ort war, hat nach diesem Vorfall Augenzeugen befragt. «Was genau passiert ist, wusste niemand», so der Reporter. «Es war eine Panik, die von einer Sekunde auf die andere die ganze Menschenmenge ergriffen hat. Die Menschen rannten reissverschlussartig auseinander. Die Masse hat sich vor mir getrennt wie das Meer vor Moses», sagt Lemmenmeier. Es sei sehr beängstigend gewesen, so der Augenzeuge. «Etwas Vergleichbares habe ich noch nie erlebt.»

Der serbische Dienst der BBC hat diese beiden Videos auf der Plattform X verlinkt. Es ist sind Augenzeugenvideos, das von einem serbischen Journalisten auf X geteilt wurden und von der BBC aufgegriffen wurde.

Hinweis auf Schallwaffen?

«Diese unmittelbare Angstreaktion, die auf dem Video zu sehen ist, lässt sich meines Wissens nach nur durch Schallwaffen erzeugen», sagt Holger Schulze, Professor an der Universität Kopenhagen. Er forscht zur Kulturgeschichte des Klangs und beschäftigt sich schon lange auch mit Schallwaffen.

Was sind Schallwaffen?

Box aufklappen Box zuklappen

«Diese Waffen können einen sehr hohen Schalldruck erzeugen, so um die 160 Dezibel», erklärt der Experte Holger Schulze. Das sei so laut, als würde direkt neben einer Person eine Schusswaffe abgefeuert. Es sei ein plötzlicher, unerträglicher und schmerzhafter Klang, von dem man komplett ahnungslos erwischt werde. «Dadurch ist der Schock noch viel grösser.» Schallwaffen könnten bleibende Schäden wie Tinnitus, Traumata und Angstzustände hervorrufen und im schlimmsten Fall sogar tödlich sein, so der Experte.

Weiter sagt er: «Auf Waffenmessen werden Schallwaffen seit langem gross angepriesen. Man weiss, dass viele Regierungen mit eher autoritären Tendenzen sehr an diesen Waffen interessiert sind.» Die Indizien wiesen für ihn darauf hin. Allerdings kann auch der Experte nicht mit Gewissheit sagen, ob eine solche Waffe eingesetzt worden ist oder nicht.

Vucic kämpft gegen den Vorwurf

Die serbischen Behörden verneinen den Einsatz von Schallwaffen. Der serbische Präsident Vucic forderte die serbische Justiz am Sonntag im Zusammenhang mit der Schallwaffen-Vermutung auf, der Sache nachzugehen. Er wisse, dass keine Schallwaffe eingesetzt worden sei, das könne geprüft werden. «Entweder muss das Justizministerium diejenigen verfolgen, die diese Waffe eingesetzt haben oder diejenigen, die diese notorische Lüge verbreiten.»

«Einsatz verbotener Schallwaffe sehr wahrscheinlich»

Box aufklappen Box zuklappen

SRF-Serbien-Korrespondent Janis Fahrländer hält es für «sehr wahrscheinlich», dass diese verbotene Waffe eingesetzt worden sei. Er sagt: «Diese Regierung lügt erwiesenermassen immer wieder. Man kann es nicht anders sagen.» Sie habe auch schon die Spionagesoftware Pegagus gegen die eigenen Leute eingesetzt. «Dazu kommt, dass – gemäss einer serbischen Zeitung – der Staat mindestens eine solche Schallkanone besitzt.» Auch die Tausendenen von Zeugenaussagen wiesen auf den Einsatz hin. Weiter sagt Fahrländer: «Bezeichnenderweise gibt es ein Augenzeugenvideo, auf dem man sieht, wie die Polizei kurz vor dem Vorfall eilig die Strasse verlässt. Das weist darauf hin, dass sie wusste, was kommt.»

Wie SRF-Serbien-Korrespondent Janis Fahrländer sagt, ist aus der Bevölkerung eine Petition gestartet worden, die verlangt, dass die Sache aufgeklärt wird. Sie fordert eine unabhängige Untersuchung durch internationale Akteure und ist bereits fast 600'000 Mal unterschrieben worden. Auch die EU fordert eine unabhängige Untersuchung.

SRF 4 News, 17.03.2025, 16:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel