Auf Facebook, Instagram und Co. soll es bald kein Faktchecking mehr geben. Das hat der Meta-Chef Mark Zuckerberg diese Woche bekannt gegeben. Bisher hatte Facebook dafür mit unabhängigen Organisationen zusammengearbeitet. Eine davon ist die Faktencheck-Redaktion der Presseagentur AFP. Der ehemalige Leiter, Max Biederbeck, gibt im Interview einen Einblick.
SRF News: Wie muss man sich die Arbeit von Faktenprüfern vorstellen?
Max Biederbeck: Unsere Organisation hatte Zugang zum Flagging-Tool von Facebook. Das heisst, wir haben alles gesehen, was auf der Plattform gemeldet wurde. Da waren nicht nur Fake News dabei, sondern auch Gewaltbilder und Verleumdungen. Wir haben uns durch diesen Müllberg durchgearbeitet. Es gab Auswahlkriterien, zum Beispiel, wie weit verbreitet eine Desinformation war.
Dann haben wir geschaut, ob sich die Aussage widerlegen lässt. Ein Faktencheck wurde nur geschrieben, wenn sich die Aussage klar widerlegen liess. War das nicht der Fall, sind wir nicht aktiv geworden, auch wenn dies geschmerzt hat. Viele Behauptungen waren gefühlsmässig totaler Quatsch. Aber wir mussten nach striktem Handwerk vorgehen. Haben wir eine falsche Behauptung entlarvt, informierten wir Facebook, und sie ergänzten den Inhalt mit einem Vermerk.
Nun hat Mark Zuckerberg gesagt, die Faktenprüfer seien je länger je mehr voreingenommen gewesen. Wie reagieren Sie darauf?
Das verstehe ich nicht. Ich kann nur für mich sprechen und für das, wofür das ganze AFP-Team stand. Und das war ein rigoroses Handwerk. Voreingenommenheit hatte da überhaupt kein Platz. Ich kann nur spekulieren, dass er damit meinte, dass vor allem aus einer bestimmten politischen Richtung Sachen gefaktcheckt wurden. Während der Corona-Pandemie zum Beispiel aus dem querdenkenden Spektrum. Das lag aber daran, dass diese Behauptungen nur aus diesem Spektrum kamen.
Was waren typische Beispiele, die klar widerlegt werden konnten?
In einem Fall ging es um eine Kita in Brandenburg, die Drohanrufe erhalten hatte. Eine Lokalzeitung hat einen Artikel darüber geschrieben, wie die Erzieherinnen lernten, Kindern, die sich sexuell entdeckten, Schutzräume zu geben. Ein Lokalpolitiker hat dies aufgegriffen und sich darüber aufgeregt, dass es Masturbationszimmer in dieser Kita gäbe.
Eine Riesenaufregung, eine Riesenwut und und am Ende völlig unschuldige Menschen, die Angst hatten, zur Arbeit zu gehen.
Das ging dann viral. Am Schluss sprang auch die AFD im Bundestag darauf an und sogar die CDU. Die Telefone bei der Kita liefen heiss, weil sich Tausende Menschen darüber ärgerten. Wir haben damals mit allen Beteiligten telefoniert, auch mit dem Politiker, der zugegeben hat, dass er das missverstanden habe. Also eine Riesenaufregung, eine Riesenwut und und am Ende völlig unschuldige Menschen, die Angst hatten, zur Arbeit zu gehen.
Nun sollen solche unabhängigen Faktenchecker auf Facebook eingestellt werden. Falschmeldungen können sich dann ungehindert weiterverbreiten. Was bedeutet das?
Das bedeutet vor allem, dass der Durchlauferhitzer heiss läuft. Es gibt kein Korrektorat mehr, sondern nur noch dieses Community-Korrektorat. Das sind aber keine Profis und da haben dann diejenigen mehr Einfluss, die mehr Follower haben. Es ist also nicht mehr unabhängig und professionell.
Ich habe noch Hoffnung, dass die Leute langsam lernen, dass man nicht alles glauben darf, was im Internet steht.
Gerade heute mit dem Aufkommen der künstlichen Intelligenz, welche Bilder so gut faken kann, verstehe ich, dass der eine oder andere Angst hat. Ich habe aber noch Hoffnung, dass die Leute langsam lernen, dass man nicht alles glauben darf, was im Internet steht.
Das Gespräch führte Silvia Staub.