Die Welt schaut besorgt nach China. Wie damals vor drei Jahren, als das Coronavirus dort bereits zirkulierte und sich alle fragten, wie schnell es sich auch in anderen Ländern verbreiten könnte. Inzwischen haben die meisten Länder einen Umgang mit Sars-CoV-2 gefunden. Die Zahl der Menschen, die an Covid-19 sterben, ist überall gesunken. Doch mit dem Ende von Pekings Null-Covid-Politik verschärft sich die Lage wieder – und zwar dramatisch. Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel über mögliche Folgen für China – und die Welt.
SRF News: Lässt sich einschätzen, wie stark das Virus in China momentan zirkuliert? Offiziellen Angaben zufolge sollen die Zahlen sogar sinken.
Katrin Zöfel: Sicher ist, dass die offiziellen Fallzahlen das Bild nicht realistisch wiedergeben. Was in verschiedenen Medienberichten zu lesen ist, deutet darauf hin, dass die Ausbreitungsdynamik gross ist und die Zahlen stark steigen.
Die Zahl der Todesfälle wird aus Peking gar nicht gemeldet. Lässt sich eine Schätzung vornehmen?
Für die aktuelle Situation wage ich keine Schätzung. Interessant sind die Modelle verschiedener Forschender weltweit. Sie schätzen ab, wie viele Tote es in den nächsten Monaten geben könnte. Das reicht von einer halben Million bis zu mehr als einer Million. Ob es so kommt, hängt von vielen Faktoren ab. Beispielsweise davon, ob das Gesundheitssystem standhält oder davon, wie sich die Menschen verhalten. Ebenso spielt hinein, ob es doch noch gelingt, möglichst schnell viele Menschen zu impfen.
Die Daten, die es gibt, belegen, dass die Wirkung der chinesischen Impfstoffe gegenüber den hierzulande genutzten deutlich schlechter ist.
Welche Varianten sind in China im Umlauf? Sind es solche, gegen die man in der Schweiz geimpft ist?
Auch hier sind die verfügbaren Informationen dünn. Aber es scheint so, dass es sich um Abkömmlinge von Omikron handelt. Diese dürften relativ ähnliche Eigenschaften zu den Varianten haben, die derzeit bei uns zirkulieren. Die Impfungen, die in der Schweiz verwendet wurden, zielen zwar nicht direkt auf diese Varianten ab. Aber der Schutz gegen schwere Verläufe hält aktuell noch gut. Es scheint plausibel, dass das auch für die Varianten gilt, die im Moment in China zirkulieren und von da womöglich auch zu uns kommen könnten.
Die Impfquote in China ist deutlich tiefer als in der Schweiz, mRNA-Impfstoffe hat China keine. Was weiss man über die Wirksamkeit der chinesischen Impfstoffe?
Die Daten, die es gibt, belegen, dass die Wirkung der chinesischen Impfstoffe gegenüber den hierzulande genutzten deutlich schlechter ist. Dazu kommt, dass es in der älteren Bevölkerung Chinas grundsätzliche Vorbehalte gegen das Impfen gibt. Gerade in dieser besonders gefährdeten Altersgruppe ist die Durchimpfungsrate schlechter als bei uns.
Anders als für China gilt für den Rest der Welt, dass die Immunität in der Bevölkerung hoch ist.
Wie gross ist die Gefahr von Mutationen? Könnte sich das Virus in China noch einmal verändern und dann gefährlich für den Rest der Welt werden?
Nicht alle, aber viele Expertinnen und Experten vermuten, dass das Virus seine Möglichkeiten schon ziemlich weit ausgereizt hat – und damit wohl nichts besonders Besorgniserregendes mehr nachkommt. Grundsätzlich gilt aber: Wir wissen es nicht. Auch mit Omikron rechnete niemand mit einer Variante, die viel ansteckender ist als die Vorgänger. Und dann war sie einfach da.
Für den Moment ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen: Anders als für China gilt für den Rest der Welt, dass die Immunität in der Bevölkerung hoch ist. Dies aufgrund der vielen Infektionen weltweit und der Impfungen. Sollte eine neue Variante in China auftreten, wird sie bei uns mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger Schaden anrichten.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.