Der US-Bundesstaat Mississippi entfernt die Südstaaten-Flagge aus seiner Staatsfahne. Die sogenannte Flagge der Konföderierten gilt als rassistisches Überbleibsel der Geschichte. Die Historikerin Britta Waldschmidt-Nelson erklärt die Hintergründe.
SRF News: Warum ist die Entscheidung des Staates Mississippi so wichtig?
Britta Waldschmidt-Nelson: Sie ist deshalb wichtig, weil es die Flagge der konföderierten Armee im Krieg gegen die Unions-Armee war. Bei diesem Krieg ging es um den Erhalt der Sklaverei und um die Privilegierung der weissen Rasse. Insofern stellt diese Flagge heute noch ein Symbol der Minderwertigkeit der schwarzen und der Überlegenheit der weissen Rasse dar.
Nach dem Bürgerkrieg ist diese Flagge jahrzehntelang in der totalen Bedeutungslosigkeit versunken.
War diese Flagge schon immer ein Symbol für Rassismus?
Es ist sehr interessant, dass die Flagge nach dem Bürgerkrieg jahrzehntelang in der totalen Bedeutungslosigkeit versunken war. Erst mit dem Wiederauferstehen der Segregationsgesetze gegen Ende des 19. Jahrhunderts, die Schwarze im Süden zu Bürgern zweiter Klasse gemacht haben, wurde diese Flagge wieder populär. Sie wurde von drei Südstaaten, nämlich Georgia, Florida und Mississippi, in ihre jeweiligen Staatsfahnen aufgenommen.
Seit dem Wahlkampf von Storm Thurmond 1948 wird sie von allen rechten Gruppen in den USA, den White Supremacist, dem Ku-Klux-Klan und den Neonazis benutzt.
Storm Thurmond, ein Südstaatler, der 1948 Präsident der USA werden wollte und für die Rassentrennung war, verwendete sie schliesslich in seinem Wahlkampf. Er betonte, dass Schwarze eben nicht gleichberechtigt werden sollten und dass die Rassentrennung nicht abgeschafft werden sollte. Seither wird sie von allen rechten Gruppen in den USA, den «White Supremacist» [Anhänger der Theorie von der Überlegenheit der Weissen], dem Ku-Klux-Klan und den Neonazis benutzt.
Zeigt das Entfernen der Flagge in Mississippi, dass der Tod von George Floyd das Verhältnis zwischen Schwarzen und Weissen nachhaltig verändert?
Es ist weniger so, dass damit alle Vorurteile aus den Gemütern verschwunden wären, sondern es zeigt einfach, dass die Politiker inzwischen auf den Druck der öffentlichen Meinung reagiert haben. Es sind nicht nur Schwarze, sondern auch viele weisse Liberale, die die Black-Lives-Matter-Bewegung unterstützen. Die Politiker haben erkannt, dass sie diese negative Symbolpolitik verändern müssen, wenn sie wiedergewählt werden wollen.
Auch früher wurde nach rassistischen Vorfällen über Ungleichheit und Rassismus debattiert. Wie erklären Sie sich diese ungleich grössere Resonanz im Vergleich zu früheren Debatten?
Die Frustration im Laufe der letzten Jahre hat sich aufgrund dieser immer wieder vorkommenden rassistischen Übergriffe so akkumuliert, dass das Fass voll war. Wir erinnern uns an das sogenannte Charleston Church-Massaker 2015, als ein weisser Supremacist in einer Kirche mehrere Schwarze erschossen hat. Zuvor war 2014 Michael Brown erschossen worden, was die Black-Lives-Matter-Bewegung erstmals auf den Plan gerufen hat. Die brutale Ermordung von George Floyd hat das Fass zum Überlaufen gebracht.
Besteht nicht die Gefahr, dass diese Flagge noch stärker zum Symbol des Aufstands verklärt wird?
Es wird sicherlich so sein, dass rechte Gruppen diese Flagge weiter verwenden.
Es ist ein Unterschied, ob private rechte Gruppen diese Flagge hissen, oder ob offiziell gewählte Gremien wie ein Staatsparlament oder das Bundesparlament dies tun.
In Deutschland ist es zum Beispiel verboten, die Hakenkreuz-Flagge zu hissen, doch dann nehmen rechte Gruppen halt die Reichsflagge, oder auch die Südstaatenflagge. Aber es ist ein Unterschied, ob das private Gruppen tun oder ob offiziell gewählte Gremien wie ein Staatsparlament oder das Bundesparlament es für gut erachten.
Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.