Anders als die Türkei ist Syrien kein funktionierender Staat. Manche Gebiete werden von Milizen kontrolliert. Frontlinien durchziehen das Land. Und selbst in Gegenden unter Regierungskontrolle wie Aleppo sind die Strukturen mafiös. Die Wirtschaft verharrt unter Sanktionen in einer tiefen Krise.
Schon vor dem Beben fehlte es an Treibstoff und an Strom. Mit all dem müssen die Hilfsorganisationen irgendwie klarkommen. Sie taten es. So gut es eben ging.
Angela Kearney ist Verantwortliche des UNO-Kinderhilfswerks Unicef in Syrien und sie kennt die Bedingungen im Land bestens. «Ich war in Aleppo, als das Erdbeben passierte», berichtet sie. Vor allem im Osten der Stadt, der schon im Krieg ständig bombardiert worden war, seien ganze Häuserzeilen eingestürzt. Selbst die massive Zitadelle, ein Wahrzeichen, wurde schwer beschädigt.
Internationale Hilfswerke, die schon in Syrien präsent gewesen seien, hätten nach dem Beben sofort ihre Lagerhäuser geöffnet, erzählt Kearney. So wurden Zelte, Decken und anderes Material bereitgestellt.
Aus dem Ausland seien auch einzelne Rettungsteams angereist. So half etwa eine Equipe aus Algerien in Aleppo bei der Bergung, anderswo engagierten sich Gruppen aus dem Libanon.
Erdbeben folgt auf jahrelangen Bürgerkrieg
Beeindruckt hat Kearney vor allem die Solidarität unter den Einheimischen. Nach einem Augenschein im gesamten Schadensgebiet – sofern es unter Regierungskontrolle liegt – ist sie zurück in der Hauptstadt Damaskus. Das Bild sei niederschmetternd.
Insgesamt hätten hunderttausende seit letztem Montag ihr Zuhause verloren. Sie kommen zu den Millionen Kriegsflüchtlingen, die in Syrien schon zuvor versorgt werden mussten.
Kearney kamen auf ihrer Fahrt aus dem Erdbebengebiet auch Konvois entgegen von religiösen und anderen Hilfsorganisationen, beladen mit Decken, warmen Kleidern und Essen. Doch in dem kriegszerrütteten Land sind die Möglichkeiten zur privaten Hilfe sehr begrenzt. Besonders gilt das im völlig ausgezehrten Rebellengebiet um Idlib an der Grenze zur Türkei.
Wichtiger Grenzübergang gesperrt
In den Tagen nach dem Erdbeben war der einzige Grenzübergang direkt aus der Türkei in das Gebiet, das von einer islamistischen Rebellengruppe kontrolliert wird, unpassierbar geworden.
«Wir haben die Menschen im Nordwesten Syriens im Stich gelassen», räumte Martin Griffiths UNO-Nothilfekoordinator am Sonntag ein. Er gelobte Besserung und langsam läuft die Hilfe auch für Idlib über den einzigen Grenzübergang nun an.
Weitere Grenzübergänge sollen geöffnet, die Versorgung auch direkt über die Frontlinien hinweg möglich werden, aus dem Gebiet unter Kontrolle des Regimes Assad. So das Versprechen.
«Die Lastwagen stehen in Aleppo bereit», sagt Kearney von Unicef. Man warte noch auf die Sicherheitsüberprüfung. Soweit sie sehe, funktioniere die Einfuhr von Hilfsgütern ins von der Regierung kontrollierte Syrien nun sehr unkompliziert.
Das war bis dahin ein langwieriger und teurer Prozess, einerseits wegen der Sanktionen, andererseits wegen der administrativen Schikanen des Regimes. Das hat sich offenbar unter dem Druck dieser Katastrophe geändert.
So landeten am Samstag und am Sonntag Frachtmaschinen der UNO aus Dubai mit Hilfsgütern. Und doch steht die Erdbebenhilfe für Syrien erst ganz am Anfang.