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Istanbul: Bürgermeister Ekrem İmamoğlu sucht Hilfe im Ausland
Aus 10 vor 10 vom 27.11.2019.
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Erdogans Banken mauern Istanbuls Bürgermeister sucht Kreditgeber – auch in der Schweiz

Mit welchen Hürden Ekrem Imamoglu zu kämpfen hat, erzählt er im exklusiven Gespräch mit SRF.

Er ist ein beschäftigter Mann: der 49-jährige Bürgermeister der grössten Stadt der Türkei. Das Team von SRF ist mit ihm in einem Stadtpark von Istanbul verabredet. Zuvor muss Ekrem Imamoglu aber noch unterhalb des Tokapi-Palastes eine Ortsbegehung machen: in einem völlig zugewachsenen Park mit wunderbarem Blick auf den Bosporus.

Ekrem Imamoglu

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Legende: Keystone

Nach dem Gymnasium, das er in seiner Heimatstadt Trabzon besuchte, studierte Imamoglu an der Universität Istanbul Betriebswirtschaftslehre (Bachelor) und Personalwesen (Master). Dem folgten der Einstieg in die Baufirma seiner Familie und im Jahre 2008 in die CHP.

Bei den Kommunalwahlen 2014 trat er für seine Partei im Istanbuler Stadtteil Beylikdüzü an und wurde mit knapp 50 Prozent zum Bürgermeister gewählt.

Wahl zum Bürgermeister von Istanbul

Bei den Kommunalwahlen 2019 wurde Imamoglu zum CHP-Kandidaten für den Posten des Oberbürgermeisters von Istanbul nominiert und gewann diese mit 13’000 Stimmen Vorsprung. Nachdem die in Istanbul unterlegene AKP eine Nachzählung der Stimmen beantragt hatte, wurde der 49-Jährige am 17. April 2019 von der türkischen Wahlkommission zum Oberbürgermeister der Grossstadtkommune Istanbul erklärt.

Die AKP legte Beschwerde ein: am 6. Mai 2019 annullierte die Wahlkommission das Wahlergebnis wegen angeblicher Regelwidrigkeiten. Bei der Neuwahl am 23. Juni 2019 erhielt er knapp 800’000 Stimmen mehr als Binali Yildırım von der AKP und wurde somit erneut zum Oberbürgermeister gewählt.

Eines von vielen Beispielen – das zeigt: in Istanbul fehlt das Geld an allen Ecken und Enden. Die Stadt sitzt auf einem riesigen Schuldenberg: umgerechnet fast fünf Milliarden Franken. Das ist das Ergebnis nach Jahrzehnten Ein-Parteien-Herrschaft der AKP, der Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung von Präsident Recep Tayyip Erdogan.

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Imamoglu: «Die haben nie wirklich etwas für Istanbul getan»
Aus News-Clip vom 27.11.2019.
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«25 lange Jahre hat die AKP Istanbul regiert und die Stadt wie ihr Eigentum behandelt. Das muss sich jetzt ändern» sagt Imamoglu, als er endlich zum Interviewtermin eintrifft.

Europa hält sich aus dem ganzen Syrien-Konflikt heraus. Da ist es dann nicht fair, die Türkei wegen einer Militäroperation so anzuklagen, so zu beschuldigen.

Die Euphorie nach Imamoglus Wahl letzten Juni verblasste schnell, denn der Newcomer auf nationaler Bühne muss mit einem Präsidenten und einer Zentralregierung in Ankara kämpfen, die ihm viele Steine in den Weg legt.

So geben die staatlich kontrollierten Banken Istanbul und anderen von der Opposition regierten Städte keine Kredite mehr. «Das ist ein unmoralisches Spiel. Die Banken mauern nur noch, anstatt uns neue Kreditlinien zu geben», beschwert er sich.

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Imamoglu: «Die Banken mauern nur noch»
Aus News-Clip vom 27.11.2019.
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Allein für die Fertigstellung acht verschiedener U-Bahn-Linien und anderen Infrastrukturmassnahmen bräuchte die Stadt 3.5 Milliarden Franken für die nächsten zehn Jahre. Doch die Wirtschafts- und Währungskrise in der Türkei hat die einst so florierende Bauwirtschaft quasi stillgelegt. Nun sucht der Bürgermeister Geld bei ausländischen Banken und ist erfolgreich.

Imamoglu auf «Werbetour»

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Die Deutsche Bank hat Istanbul einen Kredit in Höhe von 110 Millionen Euro gegeben, wie ein Sprecher der Bank der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag bestätigte.

Imamoglu hatte über diesen Kredit und einen weiteren aus Frankreich am Sonntag bei einer Pressekonferenz in Istanbul gesprochen – und hinzugefügt, dass staatliche türkische Banken bei den Finanzierungsbedürfnissen seiner Verwaltung nicht hilfreich gewesen seien.

«Ehrlich, ich muss das sagen: Wir haben gesehen, dass die Staatsbanken sehr distanziert geblieben sind gegenüber der Istanbuler Stadtverwaltung, seit wir im Amt sind. Das ist traurig», sagte er.

Gedacht ist das Geld aus Deutschland laut Imamoglu für den lange unterbrochenen Bau einer zentralen U-Bahn-Linie im asiatischen Teil der Stadt.

Von der europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung bekam Imamoglu weitere 100 Millionen, wie auch fast ebenso viel aus Frankreich, unter anderem über die Société Générale.

Credit Suisse will keine Auskunft geben

«Wir haben jetzt ein transparentes Budgetmanagment aufgestellt, damit in jedem Stadtbezirk die Kosten neuer Projekte genau nachverfolgt werden können», so Imamoglu.

Erste Gespräche gab es anscheinend auch mit Vertretern der Credit Suisse anlässlich eines Finanztermins in der Londoner City. Das zumindest heisst es aus britischen und türkischen Quellen. Gegenüber SRF zeigt sich die Schweizer Bank aber zugeknöpft. «Zu möglichen und bestehenden Kundenbeziehungen gibt es keine Auskunft.»

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Imamoglu: «Wenn wir eine Einladung erhalten sollten, kommen wir gerne auch in die Schweiz»
Aus News-Clip vom 27.11.2019.
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Doch der Bürgermeister legt nach: «Die Schweiz ist eines der wichtigsten Finanzzentren – gerne! Wenn wir hier eine Einladung erhalten sollten, kommen wir gerne auch in die Schweiz zu weiteren Gesprächen.»

So aufgeschlossen Imamoglu beim Thema Finanzen ist, so vorsichtig argumentiert er bei politischen Themen. Diesen Sommer wurden viele kurdische Bürgermeister verhaftet und von Präsident Erdogan durch staatliche Kommissare ersetzt. Imamoglu verurteilt zwar diese Repression. Mehr Autonomie will aber auch er den Kurden in der Türkei nicht einräumen.

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Imamoglu: «Europa hält sich aus dem ganzen Syrien-Konflikt heraus»
Aus News-Clip vom 27.11.2019.
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Auch beim Thema Türkisch-Syrischer Grenzkonflikt nimmt der Bürgermeister sogar seinen eigenen Präsidenten in Schutz und vermeidet jede Kritik an Erdogan.

«Europa hält sich aus dem ganzen Syrien-Konflikt heraus. Da ist es dann nicht fair, die Türkei wegen einer Militäroperation so anzuklagen, so zu beschuldigen.»

Allein Istanbul habe schon eine Million syrische Flüchtlinge aufgenommen. Ekrem Imamoglu sucht den Anschluss an Europa: finanziell – doch politisch bleibt er vorsichtig auf Distanz.

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