Das Ende der Mauer war der Anfang der Politikerin Sahra Wagenknecht. TV-Moderator Alfred Biolek sprach 1996 mit ihr über diesen Moment. «Im Herbst 1989 brach alles weg, womit ich mich identifiziert hatte. Da ging mein Land kaputt. Es war eine ganz schlimme Zeit», sagte sie.
Wagenknecht machte daraufhin Karriere in den linken Nachfolgeparteien der SED, lange als Kommunistin. Davon distanziert sie sich inzwischen. Doch noch heute kämpft sie gegen den Kapitalismus und den Westen. Stets verteidigt sie Moskau.
Keine Scheu vor der extremen Rechten
Als die russischen Panzer an der ukrainischen Grenze standen, sagte Wagenknecht im Februar 2022 in der Sendung Anne Will: «Russland hat faktisch kein Interesse, in die Ukraine einzumarschieren. Natürlich nicht!» Zwei Tage später lancierte Russland den Grossangriff auf sein westliches Nachbarland.
Für ihre umstrittene Friedensdemonstration mit Alice Schwarzer ein Jahr später konnte Wagenknecht Tausende mobilisieren. Unter den «lieben Friedensfreunden» fanden sich auch rechte Extremisten. Von ihnen distanzierte sich Wagenknecht nicht, denn schliesslich will sie die Anhänger der extremen Rechten für ihre neue Partei Bündnis Sahra Wagenknecht BSW gewinnen.
Sahra Wagenknecht ist ein unglaublich potente und prominente Frau.
Vor einem Jahr gründete sie das BSW. Es ist voll auf Wagenknecht zugeschnitten. Katja Wolf, BSW- Spitzenkandidatin in Thüringen, sagt es so: «Sie ist eine unglaublich potente und prominente Frau.»
Wagenknecht will nicht mit Höcke
Nicht überrascht über ihre «magnetische Wirkung» im Osten ist Politologe Albrecht von Lucke, Publizist der Monatszeitschrift «Blättern für deutsche und internationale Politik».
Wagenknecht appelliere an den «inneren Schweinehund» der Bevölkerung – der «keine Veränderung und nichts opfern will für die Ukraine – und darauf hofft, dass wenn wir freundlich zu Russland sind, wieder billiges Gas und Öl fliesst», so von Lucke.
Russlandnähe, harte Migrationspolitik, EU-Kritik: Da macht Wagenknecht glatt der rechtsextreme AfD-Politiker Björn Höcke Avancen: «Kommen Sie zu uns, Frau Wagenknecht!», rief er von der Wahlkampfbühne. Schliesslich sei seine AfD die einzige Friedenspartei.
Wagenknechts Hauptgegner ist der Westen, und im Speziellen die USA.
Wagenknecht allerdings schliesst eine Zusammenarbeit mit Höcke aus – nicht aber grundsätzlich eine solche mit der AfD. Alle anderen Parteien aber wollen nicht mit der AfD. Deshalb braucht es Wagenknechts BSW fürs Regieren, etwa in Erfurt.
Sperrminorität in ostdeutschen Bundesländern
Mit so viel Macht ausgestattet, diktiert nun Wagenknecht etwa der CDU Friedensbekenntnisse als Koalitionsbedingung. «Ihr Hauptgegner ist der Westen, und im Speziellen die USA», sagt die politische Korrespondentin der «Zeit», Mariam Lau. Und Wagenknecht werde weiterkämpfen, «bis die letzte transatlantische Partei von relevanter Grösse am Boden liegt.» Die CDU hat also viel zu verlieren.
Im Beschädigen von Parteien hat Sahra Wagenknecht Erfahrung. Die Linke hinterlässt sie als Häufchen Elend. Politologe von Lucke hält sie für eine Spalterin. Er sagt: «Wagenknecht hat jetzt das grosse Problem, dass sie erstmals beweisen muss, dass sie konstruktive Politik machen kann. Ich habe grosse Zweifel, dass sie das überhaupt will.»
Die deutschen Bundesländer sind eh nur Nebenschauplätze. Sahra Wagenknecht will mit dem BSW auf die Hauptbühne – in den Deutschen Bundestag nach Berlin.