Nach der erzwungenen Landung eines Passagierflugzeugs in Minsk erwägt die Europäische Union verschiedene Strafmassnahmen gegen Belarus. Als Reaktion auf den jüngsten Vorfall könnten sich die Staats- und Regierungschefs heute Abend auf eine erweiterte Sanktionsliste einigen.
Lukaschenko unbeeindruckt
Seit dem letzten Oktober gibt es eine Sanktionsliste, auf der Personen aus Belarus, darunter auch Machthaber Alexander Lukaschenko, sowie sieben belarussische Organisationen aufgeführt sind. Für die Personen gilt ein Einreiseverbot in die EU und Vermögenswerte wurden eingefroren.
Die vergangenen Monate zeigten allerdings, dass sich Lukaschenko von diesen Druckmitteln aus Brüssel nicht beeindrucken lässt.
Harte Sanktionen unwahrscheinlich
Der Europäische Rat könnte daher auch mit anderen Sanktionen reagieren, um Lukaschenko weiter unter Druck zu setzen. So gibt es eine Forderung von Frankreich, dass europäische Fluggesellschaften nicht mehr über den belarussischen Luftraum fliegen dürfen. Das hat nebst Sicherheitsgründen auch damit zu tun, dass Belarus durch Steuern für jeden Überflug Geld verdient.
Polens Ministerpräsident Morawiecki fordert, dass es gar keine Flugverbindungen zwischen der EU und Belarus mehr geben dürfe. Andere verlangen, dass die belarussische Fluggesellschaft Belavia nicht mehr auf europäischen Flughäfen landen darf. Möglich wären auch Wirtschaftssanktionen oder dass man Belarus aus dem internationalen Zahlungsverkehr ausschliesst.
Es scheint aber unwahrscheinlich zu sein, dass sich die Staats- und Regierungschefinnen und Regierungschefs auf solche harten Sanktionen einigen werden.
Zum einen würden solche Sanktionen direkt die Zivilbevölkerung treffen. Zum anderen würde man Lukaschenko noch mehr nach Russland zu Putin drängen. Bis anhin hat man dies mit den eher milderen Sanktionen zu verhindern versucht.
Auch stellt sich die Frage, ob alle 27 EU-Mitgliedstaaten solche härteren Sanktionen unterstützen würden. Gerade Ungarns Ministerpräsident Orban könnte eine Veto-Position einnehmen.
Auch über Russland wird heute diskutiert
Die Staats- und Regierungschefs werden heute Abend aber nicht nur über weitere Sanktionen gegen den Machtapparat Lukaschenkos diskutieren, sondern auch über das Verhältnis zu Russland. Ein Verhältnis, das auf internationaler Ebene kaum schlechter sein könnte.
Die Vergiftung und Inhaftierung von Alexej Nawalny, mutmassliche Cyberangriffe auf EU-Mitgliedstaaten sowie die russischen Sanktionen gegen EU-Politiker wie Parlamentspräsident Sassoli oder Kommissions-Vizepräsidentin Jourová sorgen für viel Unmut gegenüber Russland und Präsident Putin.
Weitere Sanktionen gegen Russland sind an diesem Gipfel allerdings nicht zu erwarten. Die Staats- und Regierungschefs werden aber in einer gemeinsamen Erklärung ihre deutliche Kritik am Auftreten Russland gegenüber der Europäischen Union äussern.