In Brüssel steuerte alles auf den grossen Streit vor Weihnachten zu: Die Staats- und Regierungschefs streiten sich darüber, ob sie EU-Gelder an Ungarn zurückbehalten sollen oder nicht. Und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban droht seinerseits mit dem Veto bei aussen- und steuerpolitischen Entscheiden. Auf der grossen Bühne, am EU-Wintergipfel von Ende Woche.
Doch es kam anders. Der Streit wurde auf der kleinen Bühne beigelegt. Die EU-Botschafterinnen und Botschafter der Mitgliedstaaten einigten sich am späten Abend darauf, EU-Gelder an Ungarn einzufrieren. Aus Sorge davor, dass das Geld wegen mangelhafter Korruptionsbekämpfung in Ungarn nicht an den eigentlich vorgesehenen Orten ankommt.
Eine Niederlage für Orban
Noch müssen die Mitgliedstaaten definitiv zustimmen, doch das dürfte nach der gestrigen Einigung eine Formsache sein. Es ist eine Niederlage für Viktor Orban. Sein Veto-Poker ist nicht aufgegangen.
Dass der ungarische Regierungschef etwa bei Einführung der globalen Mindeststeuer auf seine Blockade verzichtet, hat auch damit zu tun, dass ihm die EU-Staaten ein bisschen entgegenkommen. Nur 6.3 statt 7.5 Milliarden aus dem EU-Haushalt sollen zurückbehalten werden. Zudem wurden weitere Zahlungen aus dem Corona-Aufbaufonds grundsätzlich genehmigt. Allerdings ist auch dieses Geld an Reformen zur Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit geknüpft.
Den Worten folgen Taten
Diese muss Ungarn umsetzen, sonst fliesst kein Geld aus Brüssel. Es ist das erste Mal, dass der Rechtsstaatsmechanismus dazu führt, dass Zahlungen an einen Mitgliedstaat ausgesetzt werden. Die Einigung ist auch ein Zeichen an Staaten wie Polen, Bulgarien oder Rumänien, die wegen Problemen mit der Gewaltenteilung oder bei der Korruptionsbekämpfung unter Beobachtung stehen.
Im Fall von Polen ist das Einfrieren von EU-Geldern aus realpolitischen Gründen – Polen ist ein wichtiger Unterstützer der Ukraine – zwar unwahrscheinlich, dennoch zeigt die Einigung in Brüssel: Die EU kann ihren Worten auch Taten folgen lassen.