Die 27 EU-Staaten haben am gestrigen Videogipfel beschlossen, mit den Vorbereitungen für eine Ausweitung der Zollunion mit der Türkei zu beginnen. Auch eine Visa-Liberalisierung wurde Ankara indirekt in Aussicht gestellt.
Zugleich will die EU die Zusammenarbeit in der Migrationspolitik stärken. Dabei geht es vor allem darum, dass die Türkei gegen unerwünschte Einwanderung in die EU-Staaten vorgeht. Als Anreiz soll die EU-Kommission weitere Finanzhilfen für die Versorgung syrischer Flüchtlinge vorbereiten.
Ein neuer Anreiz
Die Staats- und Regierungschefs der EU sind damit gewillt, dem Nachbarstaat Türkei einen klaren Anreiz zu geben, die Partnerschaft konstruktiv weiterzuentwickeln, wie EU-Korrespondent Charles Liebherr erklärt.
An der Vertiefung und Erweiterung der bestehenden Zollunion hätten beide Seiten ein grosses wirtschaftliches Interesse. Damit könnte etwa der Handel im Agrar- und Dienstleistungsbereich angekurbelt werden.
Verhandlungen seit Jahren blockiert
Grundsätzlich beschlossen wurde dies bereits vor einigen Jahren. Die EU-Staaten blockierten aber Verhandlungen, indem sie der EU-Kommission kein Verhandlungsmandat gaben. Vor drei Jahren entschieden die EU-Länder sogar, keine Verhandlungen aufzunehmen.
Nun will die EU aber doch noch einmal einen Anlauf nehmen, das Verhältnis zur Türkei zu verbessern. Sie erhofft sich damit, einer Lösung der Konflikte zwischen der Türkei und den beiden EU-Staaten Zypern und Griechenland etwas näherzukommen.
Die drei Länder streiten sich seit Jahrzehnten über gemeinsame Seegrenzen und damit verbunden über Schürfrechte für Erdgasvorkommen. In dem Streit hatte die EU der Türkei im vergangenen Dezember scharfe Sanktionen angedroht. Daraufhin beendete das Land die umstrittenen Erdgaserkundungen und signalisierte Gesprächsbereitschaft.
Weitere Baustellen im Visier
Parallel, aber nicht direkt damit verbunden, wollen die EU-Staaten mit der Türkei über Verschlechterungen bei der Rechtsstaatlichkeit und der Garantie von Grundrechten sprechen.
In den letzten Wochen und Monaten nahmen die Spannungen zwischen der Türkei und der EU stark zu. Noch einmal scheinen sich in Europa aber jene Kräfte durchgesetzt zu haben, die weiter an eine Normalisierung der Beziehungen glauben wollen, so Liebherr.