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EU-Kandidatenstatus EU-Spitzen legen Beitrittsprozess von Georgien vorerst auf Eis

  • Die Europäische Union legt den Beitrittsprozess von Georgien vorerst auf Eis.
  • Grund ist der aktuelle Kurs der politischen Führung in Tiflis, wie aus einer Erklärung der Staats- und Regierungschefs vom Gipfeltreffen in Brüssel hervorgeht.

In dem Text heisst es, der Europäische Rat äussere seine ernsthafte Besorgnis über die jüngsten Entwicklungen in Georgien. Die dortigen Behörden müssten den aktuellen Kurs umkehren, denn dieser gefährde Georgiens Weg in die EU und führe «de facto zu einem Stopp des Beitrittsprozesses».

Der EU-Kandidatenstatus war dem 3.7-Millionen-Einwohner-Land erst im vergangenen Dezember zuerkannt worden, nachdem es kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Aufnahme in die EU beantragt hatte.

Umstrittenes neues Gesetz wird bemängelt

Als konkretes Beispiel für die negativen Entwicklungen in der früheren Sowjetrepublik an der Südgrenze Russlands nennen die Staats- und Regierungschefs ein neues Gesetz zur schärferen Kontrolle der Zivilgesellschaft. Dieses war im Mai trotz wochenlanger Massenproteste gegen das «russische Gesetz» vom Parlament verabschiedet worden. Es überstimmte dabei auch ein Veto der proeuropäischen Präsidentin Salome Surabischwili.

Menschenmenge schwenkt EU- und georgische Flaggen bei einer Demonstration.
Legende: Tausende hatten über Wochen hinweg gegen das «russische Gesetz» demonstriert, das vom Parlament verabschiedet worden ist und die Zivilgesellschaft strenger kontrollieren soll. AP Photo/Shakh Aivazov (Archiv)

Die Regierungspartei Georgischer Traum, die im Parlament die Mehrheit hält, verschärft mit dem Gesetz konkret die Rechenschaftspflicht von Nicht­regierungs­organisationen, die mehr als 20 Prozent ihres Geldes aus dem Ausland erhalten. Sie begründet dies mit höherer Transparenz.

Ein ähnliches Gesetz in Russland stempelt diese vom Ausland unterstützten Organisationen als «ausländische Agenten» ab. Die Staats- und Regierungschefs der EU sehen in dem georgischen Gesetz «einen Rückschritt in Bezug auf Empfehlungen der EU-Kommission für den EU-Beitritts­kandidaten­status».

Freie und faire Wahlen gefordert

Zum Vorgehen von Behörden gegen Kritiker schreiben sie, man fordere ein Ende der zunehmenden Einschüchterungen, Drohungen und körperlichen Angriffe gegen Vertreter der Zivilgesellschaft, politische Führungspersönlichkeiten und zivile Aktivisten und Journalistinnen.

Zudem wird in der Erklärung daran erinnert, dass die Achtung der Werte und Prinzipien, auf denen die Europäische Union gegründet sei, für jedes Land, das eine Mitgliedschaft anstrebe, von wesentlicher Bedeutung seien. Es müsse auch sichergestellt werden, dass die Parlamentswahlen in diesem Herbst frei und fair seien.

Was genau hinter dem Kurs der Regierung in Tiflis steckt, ist bislang unklar. Paradox ist, dass die Regierung die erfolgreichen Gespräche über den EU-Kandidatenstatus geführt hat. Sie hält am EU-Kurs fest – verfolgt aber zugleich gute Kontakte nach Moskau.

Als ein Treiber des Gesetzes gilt der Gründer der Regierungspartei, Bidsina Iwanischwili, der mit Geschäften in Russland zum Milliardär geworden ist und zeitweise auch Ministerpräsident war. Er vertrat in der Vergangenheit die Ansicht, dass sich Georgien vor verderblichem westlichem Einfluss schützen müsse.

SRF 4 News, 28.06.2024, 03:00 Uhr ; 

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