Ursula von der Leyen will Präsidentin der EU-Kommission bleiben. Eine Überraschung ist das keinesfalls, heute hat sie es zum ersten Mal öffentlich ausgesprochen. Von der Leyens erste Amtszeit war geprägt von Krisen, die die EU zuvor jahrzehntelang nicht gesehen hatte: erst die Covid-Pandemie, dann der russische Angriff auf die Ukraine.
Kritik auch aus den eigenen Reihen
Doch so richtig begeistert von Ursula von der Leyen als Präsidentin der EU-Kommission ist dennoch kaum jemand. Nicht einmal in ihrer eigenen Parteienfamilie, der Europäischen Volkspartei. Seit Monaten wird die Kritik aus den eigenen Reihen am «Green Deal» immer lauter. Mit diesem Gesetzespaket soll die EU bis 2050 klimaneutral werden. Dieser mute der europäischen Industrie und den Bürgerinnen und Bürgern zu viel zu, so die Kritik.
Auch angesichts der Bauernproteste in vielen Ländern scheint von der Leyen durchaus zu politischen Schwenkern bereit. Was wiederum für Ärger im grünen Lager sorgt: In der Klimapolitik habe von der Leyen der Mut verlassen.
Auch ihr Kommunikationsstil ist Anlass zur Kritik. Sie veröffentlicht lieber aufgezeichnete Videostatements, statt sich den Fragen der Presse zu stellen. Im Falle von Vereinbarungen zur Impfstoff-Beschaffung während der Pandemie läuft gar ein Gerichtsverfahren, weil die EU-Kommission nicht darüber informieren will.
Breite Unterstützung unter den EU-Staaten
Doch trotz Kritik von allen Seiten: Von der Leyens Chancen auf eine Wiederwahl stehen gut. Auch wenn die Umfragen zu den Europawahlen auf deutliche Gewinne der Rechtsaussenparteien schliessen lassen: Dass am Ende von der Leyens EVP wieder als grösste Fraktion aus der Wahl hervorgehen wird, ist das wahrscheinlichste Szenario.
Die EVP stellt zudem die grösste Gruppe unter den europäischen Staats- und Regierungschefs. Was wichtig ist, denn diese Runde macht den Vorschlag für das Kommissionspräsidium. Und auch der französische Präsident Macron oder die italienische Ministerpräsidentin Meloni, die beide nicht zur EVP gehören, werden zu von der Leyens Unterstützern gezählt. Die Lust auf einen Wechsel an der Kommissionsspitze inmitten des andauernden Kriegs in der Ukraine und vor einer US-Präsidentschaftswahl mit offenem Ausgang ist unter den EU-Staaten gering.
Bisher keine ernsthafte Konkurrenz
Auch die politische Konkurrenz scheint bereits die Segel gestrichen zu haben. Die Sozialdemokraten – die aktuell zweitgrösste Parteiengruppe im EU-Parlament – dürften mit dem luxemburgischen EU-Kommissar Nicolas Schmit ins Rennen steigen. Ein Mann, den ausserhalb Luxemburgs und des Brüsseler EU-Viertels kaum jemand kennt – nicht gerade eine politische Kampfansage.
Garantiert ist eine zweite Amtszeit von der Leyens trotz allem noch nicht. Die Vergabe der Brüsseler Spitzenposten kann nach der Europawahl ihre eigenen Dynamiken entwickeln. Das weiss Ursula von der Leyen aus eigener Erfahrung: Über den Namen von der Leyens sprach vor der Wahl niemand, bis sie vom französischen Präsidenten Macron als Alternative zum eigentlichen EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber ins Spiel gebracht wurde.
Doch weniger als vier Monate vor der Europawahl deutet in Brüssel nichts auf ein ähnliches Manöver hin. Stand heute sind schlicht keine Alternativen zu Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin in Sicht.